NANA HECK ALLEINLAGE
: Der Preis der Unabhängigkeit

In diesem Herbst sind unsere Kartoffeln so dick, dass sich die Frage nach unserer Intelligenz stellt. Ganz einfach: Die schlaue Bäuerin arbeitet so viel, dass es ihr noch Spaß macht

Puh! Die Kartoffeln sind schon mal vom Acker! Eine ungewöhnlich frühe, außerordentlich schöne und reiche Ernte. Wenig Unkraut, tolles Wetter beim Aufsammeln und solche Riesendinger, dass wir dem Bauernspruch entsprechend wirklich ziemlich dumm sein müssen.

Aber das ist nur ein Etappensieg. Da warten noch die Möhren, die Rote Bete, der Weiß-, Rot- und Grünkohl, der Sellerie, der Lauch, der Spinat, der Salat, die Gurken, die Paprika und die Tomaten darauf, geerntet zu werden. Geputzt. Sortiert. Eingelagert. Verarbeitet. Verkauft. Aufgegessen. Viele Schritte und Schrittchen, begleitet von mal mehr, mal weniger schönen Arbeitsmomenten.

Wenn unsere Kinder sich zur Abwechslung mal ohne allzu großen Widerstand in ihr Schicksal gefügt haben und ohne Maulerei mitmachen, kann die Sache sogar richtig Spaß machen. Zugegebenermaßen höchst selten. Unwillen, Ausreden und völlig überhöhte Lohnforderungen sind schon eher die Regel.

Also ich für meinen Teil bin gerne auf dem Gemüseacker und im Gewächshaus, das Vermitteln dieser Vorlieben gelingt mir aber nur in Ausnahmefällen. Sich bücken und dreckig machen ist eben anstrengend und nicht wirklich lukrativ. Sobald es aber ums Essen geht, sieht die Sache schon anders aus. Da sind sich alle absolut einig: Die eigenen Produkte sind die besten. Dem geschmacklichen Vergleich kann keine gekaufte Kartoffel standhalten. Auch die Erdbeermarmelade, die Leberwurst und das Ketchup aus eigener Produktion werden den gekauften Lebensmitteln klar vorgezogen. Auch wenn sich die eingeforderte Beteiligung bei der Herstellung in Grenzen hält – beim Aufessen sind dann alle wieder mit Begeisterung dabei.

Während wir wahrscheinlich die letzten Mitteleuropäer sind, die auf solch vorsintflutliche Weise Gemüse ernten und verkaufen, machen auch heute noch etwa 1,5 Milliarden Landbewohner der Nichtindustrieländer genau dies. Etwa noch einmal so viele Menschen leben in abhängigen Verhältnissen von der Landwirtschaft, sie arbeiten also für größere landwirtschaftliche Betriebe in der Produktion und der Verarbeitung.

Richtig Kohle machen kann man mit unserer Wirtschaftsweise verständlicherweise nicht. Dazu muss man wachsen, investieren, delegieren und sich in erster Linie spezialisieren. Statt einen halben Hektar Kraut und Rüben in schönster Vielfalt mehr oder weniger in Handarbeit zu bestellen, müssten wir hoch mechanisiert auf einem Vielfachen der Fläche Möhren anbauen.

Der Spezialist vermarktet in großen Strukturen und ist absolut marktabhängig. Unsere kleinen Strukturen dagegen bieten keine großen Gewinne, haben aber mehr Vorteile als „nur“ wirklich gute eigene Nahrungsmittel. Zwar hat die Unabhängigkeit, auch wenn sie mit viel Arbeit verbunden ist, ihren Preis, aber es bleibt eine freie Entscheidung, und wir sehen es so: Den Luxus, nach eigenen Vorstellungen zu wirtschaften, gönnen wir uns einfach.

■ Die Autorin ist Biobäuerin in Mecklenburg Foto: privat