Zirkus um Zelte

In Hannover campen Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen seit dem 29. August vor dem Rathaus. Die CDU befürchtet, deren Anwesenheit könnte die Wahl beeinflussen

Angsteinflößend: Die CDU-Fraktion befürchtet Wahlbeeinflussung durch ein Klimacamp Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Von Pascal Luh

Die Aussicht aus dem Klimacamp in Hannover ist ungewöhnlich: ein paar Bäume, sonst nur Stein, in der Ferne steht ein Springbrunnen. Das Rathaus im wilhelminischen Stil thront wie ein Schloss im Hintergrund.

Am 29. August sind Ak­ti­vis­t*in­nen mit ihrem Klimacamp auf den Trammplatz, direkt vor das hannoversche Rathaus umgezogen. Zuvor hatten sie aufgrund einer Ausstellung nur auf einer Grünfläche neben dem Rathaus campieren können.

Die CDU-Ratsfraktion Hannover ist damit unzufrieden, sie sieht die Neutralität der Wahl bedroht: „Man kann sich dem Einfluss des Camps auf dem Weg ins Neue Rathaus kaum entziehen“, sagt Sven Alexander van der Wardt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Deshalb hat die Fraktion die Kommunalaufsicht im niedersächsischen Innenministerium eingeschaltet. Die CDU zweifelt die Rechtmäßigkeit der Platzwahl an und verweist auf mögliche Schwierigkeiten für die Briefwahl und Wähler*innen, die das Rathaus als Wahllokal aufsuchen möchten.

Der Vorsitzende des Stadtverbandes der Grünen, Ludwig Hecke, sieht das anders: „Die Teil­neh­me­r*in­nen nutzen ein gängiges demokratisches Mittel, um auf ihr wichtiges Anliegen aufmerksam zu machen.“ Aus seiner Sicht würde ein Hinweis auf das Thema nicht den Wahlkampf verzerren, sondern sei vielleicht sogar der nötige Kick gegen Wahlmüdigkeit. Davon könne auch die CDU profitieren.

Ralf Tils, außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft und politische Strategieanalyse an der Universität Bremen, stimmt dem zu: Es käme ihm vor, als hätte die CDU-Fraktion die Funktion von Ak­ti­vis­t*in­nen und NGOs nicht verstanden. „Das ist der normale politische Prozess“, sagt Tils.

Problematisch könnte der Standort aus anderen Erwägungen werden, gibt Natalia Shapovalova, Sprecherin der Hannoverschen Polizei, zu bedenken. Etwa, dass Flucht- und Rettungswege garantiert werden sowie ein Sammelplatz für Notfälle freigehalten werden müsste. Diese Sicherheitsvorkehrungen sehe die Polizei aber als gegeben an. Die Ak­ti­vis­t*in­nen hätten das Klimacamp als Versammlung rechtzeitig angezeigt.

Den Vorwurf der CDU, dass das Camp die Wahl beeinflusse, weisen sie klar zurück. Als Versammlungsende wäre der 31.12.2035 angegeben worden. Dieses ambitionierte Ziel setzten sich die Aktivist*innen, um ihre Entschlossenheit zu zeigen. Ihr Motto: „Wir bleiben, bis ihr handelt.“

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat, Dirk Machentanz, wundert sich nicht über die kritische Haltung der CDU. Für ihn hat das Thema Klimaschutz Priorität. „Der Platz für das Camp vor dem Rathaus ist daher prädestiniert.“

„Wir würden auch Demonstrationen anderer Aktivisten kritisch sehen“

Sven Alexander van der Wardt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion Hannover

Van der Wardt von der CDU sieht den Klimaschutz selbst als das zentrale Zukunftsthema an. Das würde wohl auch „kein vernünftiger Mensch mehr bestreiten“. Auch würden er und seine Fraktion zivilgesellschaftliches Engagement begrüßen. Es ginge um den Ort und den Zeitpunkt der Aktion, die problematisch wären. „Wir würden auch Demonstrationen anderer Aktivistinnen und Aktivisten mit einer völlig anderen Agenda kritisch sehen“, so van der Wardt.

Im Camp werden die klimafreundlichen Aussagen des CDU-Fraktionsgeschäftsführers hingegen kritisch beäugt: „Keine der Parteien hat einen ausreichenden Plan, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen“, sagt Linn, eine Sprecherin des Klimacamps.

Auch Juli Klippert, Fraktionsvorsitzende von Die Partei in Hannover ist skeptisch: „Wir finden es ein wenig befremdlich und entlarvend, dass die CDU, die ja auch selbst Klimaschutz in ihrem Programm stehen hat, die Forderung nach Klimaschutz als nicht neutral empfindet.“

Linn vom Klimacamp meint dazu: „Wenn Parteien das Gefühl haben, dieser Kampf könnte ihnen Wäh­le­r*in­nen nehmen, müssen sie sehen, ob sie nicht vielleicht an einer anderen Seite anfangen sollten, das Problem zu suchen.“ Wenn ihre Anwesenheit Menschen dazu beeinflusse, Klimaschutz in die Wahlentscheidung mit einzubeziehen, wäre das nicht verwerflich. „Unser Ziel mit diesem Klimacamp ist es, dass die Politik endlich auf die Wissenschaft hört und anfängt zu handeln. Das wollen wir durch Gespräche erreichen.“