Schocker ohne Arthouse-Ambition

Entführte Punkmusikerinnen, ein Unruhe stiftender Werwolf und immer wieder dieser Hunger auf Menschenfleisch: das 4. Obscura Filmfestival Hannover

Deutschlandpremiere in Hannover: „A Werewolf in England“ Foto: Charlie Steeds/Dark Temple Motion Pictures

Von Wilfried Hippen

Die Be­woh­ne­r*in­nen eines australischen Kaffs essen Menschenfleisch – allerdings nur das von Einwander*innen. Eine Mädchenpunkband wird entführt, den Musikerinnen werden die Gliedmaßen amputiert und durch Waffen ersetzt, mit denen sie dann als Gladiatorinnen kämpfen müssen. Ein Werwolf stört die Ruhe eines britischen Kostümfilms. Doch, es gibt sie noch: B-Movies mit reißerischem Inhalt und ohne jede filmkünstlerische Ambition. Ihre letzte Blüte erlebten sie in den 1980er-Jahren, als sie die Regale der – damals ebenfalls noch existierenden – Video­theken füllten, weshalb diese Filme mitunter als „Video-Nasties“ verteufelt wurden, in etwa: auf Kassette erhältliche Schundfilme.

Mit ambitionierten Produktionen wie „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) und „Sieben“ (1995) geriet zumindest der Teilbereich der mordlüsternen Sla­sher Movies in den Mainstream. Inzwischen laufen immer wieder teurer produzierte Genrefilme auch auf Festivals und sogar in Programmkinos. So wird die Nische für echt billige, dreckige Schocker immer kleiner.

Das Obscura-Filmfestival ist eine Plattform für solche Anti-Meisterwerke. Die Veranstalter wollen den „unterhaltsamen, fantastischen und Arthouse freien Genrefilm“ zeigen – so steht es in der Selbstdarstellung des „jungen Teams von filmbegeisterten Fans“. In Berlin gab es schon sechs Ausgaben des Festivals, in Hannover findet es nun zum vierten Mal statt.

Der Festivaltreffpunkt ist das Medienhaus Hannover mit der schönen Adresse Schwarzer Bär 6. Dort sind am kommenden Mittwoch die drei eingangs beschriebenen Filme zu sehen: die australische Produktion „Two Heads Creek“ von Jesse O’Brien, „Spare Parts“ vom kanadischen Filmemacher Andrew Thomas Hunt und schließlich Charlie Steeds’„A Werewolf in England“ – letzterer sogar als Deutschlandpremiere in der Originalfassung ohne Untertitel. Am 3. September laufen im Medienhaus dann Kurzfilme mit Titeln wie „Polter“, „Cyber Punk U.S.S.R“ oder „The Killer Dolls“.

Ein weiteres Kurzfilmprogramm mit „Action Shorts“, die zum Teil in Irak und Iran produziert wurden, gastiert am 2. September im Kino im Künstlerhaus. Dort steht am selben Abend auch der französische Fantasyfilm „Anonymous Animals“ auf dem Programm. Ganz ohne Dialoge erzählt Regisseur Baptiste Rouveure darin von einer postapokalyptischen Welt, in der die Tiere Jagd auf die Menschen machen.

Zum Abschluss reserviert das Cine-Star in Garbsen einen Tag lang einen Saal für das Festival: Ab 14 Uhr laufen – in Originalfassungen ohne Untertitel – „Death Ranch“, „To Your Last Death“, „Triggered“ sowie ein Überraschungsfilm. Die meisten Titel im „Obscura“-Programm wurden übrigens im Pandemiejahr 2020 fertiggestellt – von einem Produktionsloch kann hier also mal keine Rede sein.

4. Obscura-Filmfestival Hannover: 1.–4. 9.; Programm: www.obscurafilmfest.de