Brüder, zur Sonne…

Die Bremer Sozialdemokraten versuchen, sich zu motivieren, um bei der Bundestagswahl wieder das beste SPD-Ergebnis aller Bundesländer einzufahren. An einen Gesamtsieg wollen sie zwar glauben, doch die meisten können kaum hoffen

„Heute sind noch Wolken über Bremen, morgen scheint wieder die Sonne“, ruft MdB Volker Kröning

Bremen taz ■ Durch den Regen musste sich SPD-Landeschef Carsten Sieling quälen, um seine GenossInnen auf der Landesdelegiertenkonferenz zu motivieren. Denn Zuspruch brauchen sie, die Sozialdemokraten, die ihre Kandidaten für die Bundestagswahl im Herbst verabschieden. Mit stolzen Mehrheiten segneten sie am Samstag im World Trade Center zwar ihre Kandidaten für die Liste ab. Dorch wird die vermutlich ohnehin nicht darüber entscheiden, wer ins Parlament einzieht. Denn traditionell verfügen die Sozialdemokraten in den beiden Bremer Wahlkreisen über stolze Mehrheiten, die Uwe Beckmeyer und Volker Kröning wohl auch bei dieser Wahl direkt in den Bundestag katapultieren werden.

Oder doch nicht? Die Mobilisierung der eigenen Leute sei ein echtes Problem, sagen viele. Und der Bürgerschaftsabgeordnete Max Liess unkt, ob ein starkes Ergebnis für die Grünen im Wahlkreis Bremen I und ein Anstieg der CDU-Stimmen nicht doch das Direktmandat für CDU-Chef Bernd Neumann bedeuten könnte. Kämpfen will er jedenfalls, dass es nicht so kommt.

Und die Liste? Ob es dort für ein Mandat reichen wird, „darüber kann man nur spekulieren“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete Cornelia Wiedemeyer, die davon profitieren würde. Aber man merkt, dass sie selbst nicht daran glaubt. Glaube, das ist was den SozialdemokratInnen im Sommer 2005 am meisten fehlt. „Wir wollen beide Direktmandate und das beste Ergebnis für die SPD bundesweit“, ruft Carsten Sieling in den Saal und erntet Beifall. Seinen programmatischen Aussagen hören hingegen weniger Genossen zu. Das Wort Hartz IV fällt kein einziges Mal an diesem Vormittag. Dafür präsentiert Uwe Beckmeyer klassische sozialdemokratische Rhetorik. Die hat sich der Bundestagsabgeordnete am Abend vorher geholt, bei Bier- und Bratwurst mit den Genossen in Bremerhaven. „Motivationsfest“ nennt er das. Beckmeyers Parolen finden Beifall. Wenn er von der Einheit von Sozialdemokratie und Gewerkschaften erzählt, gegen das Aufweichen des Kündigungsschutzes oder geplante Steuerverschärfungen für Wochenendarbeit wettert, klatschen die Delegierten brav. Doch Beckmeyer spricht nur von Dingen, die die SPD verhindern müsse, Zukunftsvisionen hat auch er nicht zu bieten.

Zum Abschluss erhält der Abgeordnete, wie die anderen Listenkandidaten, eine rote Rose vom Parteichef. „Oben rot und ein bisschen grün dabei, das ist nicht die schlechteste Perspektive“, sagt Sieling, und fordert die Delegierten auf, „raus“zugehen, um die Botschaften der SPD in die Köpfe der Menschen zu bringen. Zunächst sollen die Genossen das „Wahlmanifest“ in der Innenstadt verteilen. Doch viele Tüten mit dem gebündelten Papier bleiben stehen, die meisten Sozialdemokraten zieht es ins Wochenende. Sie wollen an einen Sieg bei der Bundestagswahl glauben, aber es gelingt nicht. Der Glaube erreicht weder ihre Herzen noch ihre Köpfe, da können ihnen die Parteispitzen viel vom Aufholen in den letzten Umfragen erzählen oder an die spät gewonnene Wahl vor drei Jahren erinnern.

„Heute sind noch Wolken über Bremen, morgen scheint wieder die Sonne“, ruft der SPD Bundestagsabgeordnete Volker Kröning den Delegierten zu. Am Ende der Konferenz am Samstagmittag hat es zumindest schon mal aufgehört zu regnen.

Kay Müller