Die Nacht zum Tag gemacht

Die „Lange Nacht des Fußballs“ feierte, was erst noch passieren soll: Das Marketing-Event lockte 13.000 Ballfreunde zum Vor-WM-Stimmungs-Kick ins Olympiastadion

von Mathias Liebing

Ein schöner Rest Abendröte liegt über dem Berliner Olympiastadion. Ein leichter Wind weht, während das Innere des geschichtsträchtigen Orts mit der Glanzkraft der hochmodernen Flutlichter grell erfüllt ist. Zwei Rasensprenger laufen und über die Stadionlautsprecher erzählt eine aufgeregte Männerstimme von großen Abwehrspielern.

Genau hier, wo am Samstagabend, 21.48 Uhr, während der „Langen Nacht des Fußballs“ diese Konservenbilder über die Videowand laufen, endet in exakt 365 Tagen die offizielle Spielzeit des Finales um die Fußball-Weltmeisterschaft. Dann bleibt für einen Moment die Zeit stehen. – Ein sporthistorischer Event, den rund 250 Ballfreunde schon einmal im Hier und Jetzt der Gegenwart auskosten wollen. Die Männerstimme des 90-minütigen Fifa-Image-Videostreifens, der seit 14 Uhr flimmert, redet aufgeregt über den Brasilianer Carlos Albert, der bei der WM 1970 in Mexiko als rechter Außenverteidiger den modernen Fußball erfand. Auch Bobby Moore, Paolo Maldini oder Lilian Thuram werden erwähnt. Dazu erklärt die Stimme: „Um ein hervorragender Verteidiger zu sein, bedarf zuallererst Mut. Als Zweites Disziplin. Und erst dann kommt das Talent zum Tragen.“

Indes werden die Kickerfans durch das Innenleben der Finalarena geführt oder sitzen auf der Gegengerade um sich einige Sequenzen des Films anzuschauen, der Durchlauf für Durchlauf gezeigt wird. Es braucht Fantasie, um die verbalen Steilpässe der Videostimme aufzunehmen. Zum Beispiel um einen Robert Huth in die Galerie der wertvollsten Abwehrspieler einzuordnen. Aber es ist wohl nicht anders gedacht, weil drei Minuten später auch Berti Vogts sowie Andreas Brehme an der Reihe sind und zum Abschluss Franz Beckenbauer auf der Ehrentribüne des Münchner Olympiastadions gezeigt wird, wie er den WM-Pokal des Jahres 1974 in die Höhe streckt.

Vorfreude tobt auch einen kräftigen Abschlag von der Final-Spielfläche entfernt. Dort, auf den Wiesen zwischen Osttor und Maifeld, sind zur gleichen Zeit immer noch mindestens 100 Bälle in Bewegung. Sechs von ihnen auf 30 mal 20 Meter großen Spielfeldern, die ein großer deutscher Sportartikelhersteller aufgebaut hat. Sie haben die Lange Nacht des Fußballs zu einem großen Erfolg werden lassen. Über 13.000 Besucher will die veranstaltende Agentur „Partner für Berlin“ am Samstag gezählt haben. Das habe selbst optimistischen Schätzungen bei weitem übertroffen, sagt Projektleiter Joachim Grupp.

Nicht nur mit positiven Folgen: Eine ganze Reihe von Hobbykickern hatte bereits am frühen Nachmittag das Gelände des Olympiastadions wieder verlassen. Leider hatte es nicht selten langen Atem bedurft, um bei insgesamt 500 gemeldeten Mannschaften selbst auf einem der Courts zum Zuge zu kommen. Durchhalten lohnte aber, wie ein Team aus Lichtenrade bewies. Die fünf Kicker, gerade einmal zwischen 8 und 14 Jahre alt, mussten zwar seit dem Mittag auf ihren Auftritt warten, wurden aber gegen 20.30 Uhr zu den Publikumslieblingen.

Insbesondere die Jüngsten unter ihnen, allesamt mit einem Marcelinho-Trikot angetreten, zauberten und kombinierten ihre um Jahre älteren Kontrahenten vom Team Heinersdorf in Grund und Boden. So gut, dass auch Bundestrainer Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff, die selbst ernannten Rekultivierer der deutschen Bolzplätze, Grund zur Freude gehabt hätten. Schließlich kicken die Kids um Teamkapitän Berjaooi Ali ausschließlich – dafür aber jeden Tag – auf der Straße.

Happy war man zu diesem Zeitpunk längst auch im Infozelt der „Partner für Berlin GmbH“. Joachim Grupp erhielt dort gerade eine neue Rekordmeldung: 3.500 Führungen, das hatte es in der Geschichte des Olympiastadions noch nicht gegeben! Und dabei war der Projektleiter vor Wochen noch in Sorge, weil er von allen angefragten Stars wegen der Saisonvorbereitung oder der Urlaubsplanung für die 300.000 Euro teure Lange Nacht des Fußballs Absagen kassierte.

„Gut so, sonst wären wohl über 20.000 Besucher gekommen“, sagte Grupp, der am Samstag nicht zuletzt neue Hoffnung geschöpft hat, in einem Jahr auf der Straße des 17. Juni ein vergleichbares Fest zu feiern. Der Stadt würde eine solche Veranstaltung zweifelsfrei gut tun. Vor allem deshalb, weil zwischen Merchandising-Ständen und Sponsoren-Trucks vor allem eines im Vordergrund stand: Der Spaß am Spiel. Und natürlich Vorfreude.