berliner szenen Richtungslos

Kleiner Fehlkauf

S-Bahnhof Schönhauser Allee. Ich trage mein Fahrrad über der Schulter die Treppe runter. Es ist heiß und ich schwitze. Auf dem Bahnsteig verbringe ich eine verwirrende Ewigkeit vor dem Fahrkartenautomaten. Ich kann nicht schwarzfahren, weil ich mir kaum etwas Peinlicheres vorstellen kann, als dabei erwischt zu werden. Das Fahrrad soll auch auf legale Weise mit. Ich finde eine Fahrradkarte auf dem Bildschirm für 2,50 Euro. Das ist teurer als eine Fahrkarte für mich, oder fahre ich bei dem Fahrrad auf der Fahrkarte mit? Hinter mir hat sich eine Schlange gebildet.

Plötzlich steht ein junger Mann dicht neben mir. Zwischen uns das Fahrrad. Er hat eine Fahne. „Brauchst du ’ne Karte?“, fragt er und hält mir eine schon abgestempelte Fahrkarte hin. „Ein Euro“, sagt er. „Aber das geht doch nicht mehr, das mit dem für zwei Stunden rumfahren und so“, sage ich gut informiert. „Wenn’s die selbe Fahrtrichtung ist schon“, sagt der junge Mann. Seine Haare sind auf der linken Seite abrasiert und hängen strähnig auf der rechten Seite herunter. Ich blicke auf die Karte und versuche die Station, die draufgestempelt ist, in Fahrt- und Himmelsrichtung einzuordnen. Die Frau hinter mir räuspert sich ungeduldig. Ich krame in meinen Taschen. Der junge Mann tippelt nervös von einem Fuß auf den anderen. Ich trete beiseite und gebe ihm einen Euro. Er gibt mir die Fahrkarte und verschwindet.

Ich schaue noch mal auf die Fahrkarte, dann auf den S-Bahn Plan. Scheiße, doch die falsche Richtung. Meine S-Bahn fährt ein und wieder ab, ohne mich. Ich blicke mich nach dem jungen Mann um, und erst als ich mir ganz sicher bin, dass dieser nirgends zu sehen ist, löse ich eine neue Fahrkarte, eine für mich und eine für mein Fahrrad.

MAREIKE BARMEYER