Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Felicità!

Foto: Roberta Sant‘anna

Wie war denn euer Urlaub in Italien?“, fragt ein Pärchen das andere beim Syrer auf der Terrasse.

„War schön“, sagt die Frau, „nur leider zu viele Deutsche.“

„Ja“, sagt ihr Mann, „aber immerhin solche, die man nicht sofort erkennt.“

„Erst wenn die angefangen haben zu sprechen.“

„Kann doch auch ganz nett sein, mal ein bisschen Deutsch zu reden im Urlaub.“

„Nee, also das fehlt mir jetzt echt nicht zu meinem Glück, das hat man ja schon untereinander, das ist mehr als genug.“

„Man will tutti Tapetenwechsel, die Seele baumeln lassen, abschalten. Und dann quatscht da nebenan auf der Liege jemand über Helge Schneider!“

„Helge Schneider würde ich gern im Urlaub treffen!“

„Wir haben aber nicht Helge Schneider getroffen, die haben nur über ihn geredet, über diese Strandkorbsache, dass er nicht auftreten wollte vor den ganzen Leuten in den Strandkörben in Augsburg!“

„Das ist echt so richtig typisch deutsch, ein Strandkorbkonzert!“

„Das war jetzt aber wegen Corona, nicht wegen deutsch.“

„Ja, aber das hat so was Deutsches, sich so bescheuert abzugrenzen in seinem Spaß!“

„Deutsche sind eben gern für sich, so wie ihr.“

„Außer in Partyurlaubsorten, aber da würd’ich ja nie hinfahren.“

„Deshalb waren wir ja in diesem urigen Fischerdorf, ’ne Ecke, wo eigentlich nur Italiener urlauben!“

„Und dann hörste plötzlich, wie jemand bayrisch akzentuiert seinen Pesce Spada bestellt!“

„Schwertfisch soll man nicht essen – zu viele Schwermetalle, weil das so ein langlebiger Fettfisch ist, da sammelt sich einiges an!“

„Das hat die bayrische Frau auch zu ihrem Mann gesagt, und auf so ein deutsches Vernunft-Gelaber hab ich einfach keinen Bock. Beim guten Hauswein im Sonnenuntergang, da will ich bloß Dolce Vita und fertig.“

„Aber strenggenommen konsequent müsstet ihr selbst auch wegbleiben, damit bella Italia deutschenfreie Zone bleibt.“

„Jetzt sei nicht albern!“

„Wieso albern? Das wäre gradlinig!“

„Genau, wenn ihr findet, Deutsche stören jegliche Idylle, dann zeigt Haltung – und bleibt selber auch weg.“

„Irgendwo muss man ja Urlaub machen, und ich wüsst’jetzt nicht, wo mein Fernbleiben die totale Deutschenlosigkeit erzeugen würde!“

„Sicher nicht in einem ansatzweise urlaubstauglichen Land!“

„Na, hier, Syrien vielleicht.“

„Jetzt werd’nicht zynisch.“

„Aber das syrische Essen hier ist wirklich gut, und das Lokal wurde ursprünglich von Geflüchteten aufgebaut!“

„Wie, ursprünglich?“

„Na ja, jetzt machen die das noch immer, aber irgendwann sind das dann ja auch einfach mal Mitbürger, Mitmenschen!“

„Deutsche?“

„Wäre doch schön irgendwie, wenn das gelingt, ist ja vor allem ’ne Frage der Sprache!“

„Und die würdest du dann gern hamburgernd treffen – in San Lorenzo al Mare auf der Piazza?“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.