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Streng limitierter Kontakt zur Wissenschaft

Die „Wissensstadt Berlin“ vor dem Roten Rathaus endet in dieser Woche. Nicht nur wegen Corona klappt der Austausch zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft nur bedingt

Von Manfred Ronzheimer

Berlins Zivilgesellschaft hat die Chance für eine wichtige Zukunftsdiskussion im Wahljahr verpasst: Vor dem Roten Rathaus geht die Ausstellung „Wissensstadt Berlin“ in ihre Schlussphase. Die drängendsten Menschheitsheitsprobleme wie Klimakrise und Gesundheit unter Pandemiebedingungen sowie die Lösungsvorschläge aus der Berliner Wissenschaft standen und stehen im Zentrum des zweimonatigen Events. Noch knapp eine Woche, bis zum 22. 8., kann die Ausstellung noch besichtigt werden.

Bislang blieb es bei der einseitigen Beschallung aus der Forschungswelt. Ein gesellschaftlicher Diskurs darüber, wie die Warnungen der Wissenschaft aufgenommen und zu Veränderungen in privaten wie kommunalen Handlungsfeldern führen könnten, dieser Umsetzungsschritt blieb aus.

Ein Verharren, die nicht nur die Wissenschaftskommunikation prägt, sondern auch den aktuellen Wahlkampf auf Bundes- wie Landesebene.

Gut 20.000 Besucher hat das wissenschaftliche Bretterdorf über der neuen U-Bahn-Station „Rotes Rathaus“ in Summe angezogen. Diese Zahl gab der Regierende Bürgermeister Michael Müller am Samstag in Rahmen der Abschlussveranstaltung bekannt: Die Schau ist in ihrer schlanken Gestaltung durchaus ein Gegenakzent zum opulenten „Humboldt-Forum“ wenige hundert Meter weiter westlich.

Auf recyclingfähigen Holzwänden wurden Forschungsergebnisse aus Berliner Hochschulen vorgestellt. Schaukästen mit Video-Interviews, Pflanzen-Arrangements und Tierstimmen-Einspielungen beim Klima „Wildtiere in der Stadt“ gestatteten eine lehrreiche Stadtwandel-Wanderung.

Inhaltlich zufriedenstellend

Die rund 120 Veranstaltungen mit 150 Referenten aus 70 Berliner Wissenschaftseinrichtungen waren coronabedingt limitiert. In das Halbrund der Vortrags-Agora wurden maximal 30 Zuhörer eingelassen. Von daher ist der Vergleich mit dem Publikumszuspruch früherer „Langer Nächte der Wissenschaft“ mit 30.000 Besuchern an einem Abend nur bedingt zulässig.

Inhaltlich zeigte sich Müller mit dem Verlauf der Wissenschaftsschau, die von der Berliner Lotto-Stiftung mit 1,5 Millionen Euro finanziert wurde, zufrieden. „Die immer engere Vernetzung der Berliner Wissenschaft untereinander ist deutlich geworden“, sagte der Senats-Chef gegenüber der taz, das sei ein wichtiger Fortschritt.

Im Lern-Parcours der Ausstellung, die rund um die Uhr frei zugänglich war, verloren sich tagsüber nur wenige Besucher. Die gezielt angebotenen Führungen zu den Schwerpunktthemen Klima, Gesundheit und sozialer Zusammenhalt hatten häufig nicht mehr als eine Handvoll Teilnehmer. Besondere Events, wie Familientage, bei denen „Mitmach“-Stände rund um den Neptun-Brunnen aufgebaut waren, zogen ganz überwiegend die ohnehin schon Wissenschafts-Interessierten an.

„Wir hatten in den ersten anderthalb Stunden 15 Kontakte“, berichtete der Vertreter einer Fachhochschule, die eine Neuentwicklung von Solarzellen vorstellte. „Davon waren aber zehn gute und vielleicht weiterführende Fachkontakte“, ergänzte der Forscher. Von daher für ihn keine vergeudete Zeit.

20.000 Besucher hat die Open-Air-Ausstellung angezogen

Gerade vor dem Hintergrund der dramatischen Warnungen der IPCC-Klimaforscher in der vorigen Woche stellt sich aber die Frage, ob nicht neue Formate des Austauschs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft dringend geboten sind. Die „Wissensstadt“ bot lediglich die altbekannten Schaufenster, in denen mehr oder minder verständlich Bekanntes und teilweise Neues aus der Wissenschaftswelt präsentiert wurden.

Ein partizipativer Weg, etwa ein digitales Gästebuch, war nicht eingerichtet. „Unser Auftrag war es, ein Event von begrenzter Dauer zu organisieren“, sagte Projektmanager Moritz van Dülmen von Kulturprojekte Berlin am Samstag der taz. Die Anfangsidee, die informativen Ausstellungstafeln später in einem Buch zu verdichten, wurde im Coronatrubel nicht weiter verfolgt.

(K)Ein Ort des Austausches

So informiert die Schau zwar wissenschaftlich über das Thema Nachhaltigkeit, produziert aber im gesellschaftlichen Raum selbst keine Nachhaltigkeit für ihre Erkenntnisse. Noch wichtiger ist aber die „Besitznahme“ der Wissenschaft durch die Gesellschaft, so wie es die Schulstreiks der Fridays for Future in einer wirkungsvollen Generationen-Aktivitäten schon angepackt haben. In der Woche des IPCC-Reports gab es jedoch in Berlin keinen gesellschaftlichen Ort, an dem die neue Dimension der Klimakrise und ihre Auswirkungen für Berlin diskutiert worden wären.

Die „Wissensstadt“ hätte der ideale Ort für diesen Austausch und für die wahlwirksame politische Umsetzung sein können. Dafür fehlten geeignete Partizipationsformate. Und hier besteht ein eindeutiger Handungsbedarf für die Wissenschaftspolitik.

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