portrait
: Ein gesuchter alter Bekannter

Casablanca, 16. 5. 2003, 45 Tote – Madrid, 11. 3. 2004, 192 Tote, London, 7. 7. 2005: Die Ermittlungen deuten immer wieder auf Mohammed al-Guerbouzi hin. Der 44-jährige Islamist aus Nordmarokko soll seit Freitagabend von der Polizei gesucht werden, berichtet die britische Presse. Der Kopf der Islamischen Marokkanischen Kampfgruppe GICM sei einer der Hintermänner der Attentate von London.

Dem Korangelehrten, der längst in Marokko, Frankreich und Spanien per Haftbefehl gesucht wird, gewährten die Briten 1986 Asyl und 1994 die Staatsbürgerschaft. Guerbouzi soll Kontakte zum mutmaßlichen Al-Qaida-Chef in Irak, Abu Mussab Al-Sarkawi, unterhalten. Zudem gehört er zum engeren Kreis des radikalen Imams der Moschee in der Baker Street, Abu Katada. Der gilt als „Botschafter al-Qaidas“ in Europa.

In seiner Sozialwohnung in Kilburn sind nur Guerbouzis Frau und einige seiner sechs Kinder anzutreffen. Ihr Vater sei „irgendwo in Britannien“, so eine Tochter. Sein Freund Hani al-Sebai will ihn wie üblich beim Freitagsgebet in der Moschee gesehen haben.

Abu Issa, so Guerbouzis Kriegsname, soll im Auftrag Ussama Bin Ladens die Selbstmordattentate von Casablanca koordiniert haben. Die marokkanische Justiz verurteilte ihn in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft. Großbritannien lehnt eine Auslieferung mangels eines Abkommens mit Marokko ab. Auch die spanischen Ermittler wurden nach dem 11. März auf Guerbouzi aufmerksam. Djamal Zougam, einer der Bombenleger von Madrid, rief vor seiner Verhaftung mehrmals bei seinem Landsmann in London an. Danach soll Guerbouzi abgetaucht sein.

Abu Issa gilt als Kopf der GICM, die 1993 in Pakistan entstand. Die Gründer waren marokkanische Freiwillige, die in Afghanistan an der Seite Bin Ladens und der Taliban gegen die Sowjetarmee kämpften. Sie schworen sich, den heiligen Krieg nach Hause zu tragen. Bis zu den Anschlägen von Casablanca leistete die GICM, mit Stützpunkten in vielen europäischen Ländern, nur logistische Dienste: Sie besorgte falsche Ausweise und ermöglichte Al-Qaida-Leuten die Reise nach Europa. Marokko wurde so zum Dreh- und Angelpunkt des internationalen Terrorismus.

Am Samstag hatte Guerbouzi seinen letzten Auftritt. Eine schwarze Silhouette erklärte im TV-Sender al-Dschasira, der Gesuchte zu sein. „Ich dementiere in aller Form die Presse hinsichtlich meiner Beteiligung an denTerrorakten in London und Madrid“, erklärte die Stimme auf Arabisch. „Die britischen Behörden wissen genau, wo ich bin.“ Die letzte Aussage führte zu Spekulationen über eine mögliche Kooperation Guerbouzis mit den Geheimdiensten.

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