: Wolfsburg wie ausgewechselt
Bundesligist VfL Wolfsburg gewinnt zwar bei Preußen Münster 3:1. Doch der Sieg im DFB-Pokal wird wohl dem Regionalligisten zugesprochen. VfL-Neutrainer Mark van Bommel hat falsch gewechselt
Am Montagvormittag leitete Mark van Bommel wie gewohnt das Training des VfL Wolfsburg. Ob der Fußball-Bundesligist nach seinem 3:1-Sieg nach Verlängerung bei Preußen Münster im DFB-Pokal auch in die zweite Runde einziehen darf, liegt aber nicht mehr in irgendeiner Wolfsburger Hand. Das hängt zunächst am Regionalligisten aus Münster und der Frage, ob er Protest gegen die Wertung des Sonntagsspiels einlegen wird. In Münster ließ man sich mit dieser Entscheidung Zeit. Vielleicht fiel sie nach Redaktionsschluss.
In Wolfsburg jedoch rechnet man mit diesem Protest. Und dann muss am Ende das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes entscheiden, wem es die Verantwortung für die regelwidrige Einwechselung eines sechsten VfL-Spielers in der 103. Minute zuschreibt: dem Schiedsrichter – das würde eine Wiederholung des Spiels bedeuten. Oder – was deutlich naheliegender ist – den Wolfsburgern. Dann würden sie diese Partie nachträglich verlieren.
Unabhängig vom sportjuristischen Ausgang des Falls wird dieser Wechselfehler aber so oder so an van Bommel hängenbleiben. Der neue Trainer des VfL hat die verhängnisvolle Einwechslung des Schweizers Admir Mehmedi für Maximilian Philipp vorgenommen. Allein den Vierten Offiziellen zu fragen, ob er das noch darf oder nicht, zeigt ja: Niemand in dem üppig besetzten Staff des Champions-League-Teilnehmers kannte die Durchführungsbestimmungen des DFB, in denen es in Paragraf 31 anders als bei der EM oder dem olympischen Fußballturnier ausdrücklich heißt: „Während des Spiels dürfen fünf Spieler ausgetauscht werden. Eine darüber hinausgehende zusätzliche Auswechslung bei Spielen mit Verlängerung ist nicht zulässig.“
Van Bommels Startbedingungen waren schon vor dem Pokalspiel in Münster sehr schwierig. Der VfL verlor fünf seiner sechs Vorbereitungsspiele. Die Probleme sind dabei zunächst einmal die gleichen, die auch ein Julian Nagelsmann beim FC Bayern oder ein Gerardo Seoane bei Bayer Leverkusen hat: Bedingt durch die vielen Turniere dieses Sommers steigen viele Nationalspieler zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedlichen Fitnesslevels ins Training ein.
In Wolfsburg kommt aber noch hinzu: Van Bommels Vorgänger Oliver Glasner trichterte der Mannschaft in den vergangenen zwei Jahren mit großem Erfolg eine Spielweise ein, die auf einer kompakten Defensive, einer starken Physis und auf schnellen, schnörkellosen Kontern basierte. Van Bommels Ziel ist es, den Glasner-Fußball als Fundament zu nutzen und um eigenen Ballbesitz- und Kurzpass-Fußball zu erweitern. Der Eindruck der Saisonvorbereitung und des Pokalspiels in Münster ist aber, dass die alten Qualitäten aktuell verwischt und die neuen noch nicht zu sehen sind. „Was wir heute gezeigt haben, war einfach nicht gut. Das muss besser werden“, sagte Torschütze Wout Weghorst. Es brauche einfach Zeit, um die neue Spielweise zu verinnerlichen.
Mit Wechselfehlern hat man in Wolfsburg allerdings Erfahrung: 2004 schied der VfL schon einmal am Grünen Tisch aus dem DFB-Pokal aus. Die Niedersachsen setzten damals ihren Neuzugang Marian Hristov ein, obwohl der nach einer Roten Karte für seinen ehemaligen Verein 1. FC Kaiserslautern noch gesperrt war. Zwei Tage später trat der Manager Peter Pander nach einem Gespräch mit dem VW-Vorstand und VfL-Aufsichtsrat Lothar Sander nach 13 Jahren Amtszeit zurück.
Auch in anderen Vereinen kommt so etwas vor: Hennes Weisweiler wechselte 1977 beim 1. FC Köln gegen Eintracht Frankfurt in Roger van Gool den dritten ausländischen Spieler ein. Damals waren aber nur zwei erlaubt. Die Kölner verloren ohnehin 0:4.
1992 wechselte Stuttgarts Christoph Daum in der Champions League bei Leeds United (3:0/1:4) den jugoslawischen Verteidiger Jovica Simanic ein. Nun standen vier Ausländer für den VfB auf dem Feld – erlaubt waren seinerzeit lediglich drei.
Ein ähnliches Missgeschick passierte Eintracht Frankfurts Coach Horst Heese 1992/93. Auch da stand letztlich ein Ausländer zu viel auf dem Platz. Das 5:2 gegen Bayer Uerdingen wurde in ein 0:2 umgewandelt.
Bayern Münchens Trainer Giovanni Trapattoni schickte 1994/95 bei Eintracht Frankfurt den späteren Nationalspieler Dietmar Hamann als vierten Vertragsamateur auf den Rasen. Lediglich drei waren erlaubt. Der FC Bayern gewann das Match zwar glatt 5:2, die Punkte gingen aber an die Frankfurter.
Ein Jahr später kam beim Karlsruher SC, trainiert von Winfried Schäfer, der Russe Sergej Kirjakow als vierter Ausländer in die Partie. Der KSC verlor ohnehin 1:4.
Im letzten Bundesliga-Spiel der Saison 1995/96 führte Interimscoach Klaus Augenthaler bei Bayern München gegen Fortuna Düsseldorf einen vierten Wechsel durch.
Und Otto Rehhagel schickte für den 1. FC Kaiserslautern in der Saison 1998/99 gegen den VfL Bochum einen Nicht-Europäer zu viel aufs Feld. Bochum gewann 3:2. (dpa, taz)
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