Kontakten kann so schön sein: Die Scheu vorm Netzwerken
Manchmal braucht es Umwege: Wer zu schüchtern ist, um bei Praktika aktiv zu werden, kann einfach seinem Gefühl folgen – und kommt auch ans Ziel.
V or ein paar Jahren, als ich eines von etlichen Praktika machte, gaben die Chef:innen eines Freitagnachmittags Bier aus. Wir standen im Flur, knabberten Nüsschen, nippten an den Bieren und versuchten uns zu unterhalten. Ich fühlte mich sowieso ziemlich verloren, ich war ja die Praktikantin. Aber auch die anderen, so wirkte es, eierten umeinander herum. Sie kamen aus verschiedenen Abteilungen und sollten sich besser kennen lernen. Das musste dieses ominöse Netzwerken sein, von dem immer alle sprachen. Nicht mein Ding, fügte ich meiner inneren Liste hinzu, auf der ich versuchte herauszufinden, was ich gut kann und was eher nicht.
Neulich habe ich mich daran erinnert und gemerkt, wie sehr ich irrte. Meine erste Erkenntnis daraus ist: Unbedingt sollte man sich selbst besser kennen lernen wollen und unbedingt sollte man die Erkenntnisse, die man da so anhäuft, hinterfragen. Zweitens realisierte ich: Netzwerken klingt immer noch unsexy, aber das, was damit gemeint ist, ist heute eines der Dinge in meinem Arbeitsleben, die mich besonders glücklich machen.
Mittlerweile habe ich viele tolle Menschen um mich herum, die auch im Journalismus arbeiten oder ganz woanders. Manche kenne ich sehr gut, manche kaum. Als Selbstständige bekomme ich die meisten Jobs über jemanden, den:die ich kenne und gebe selbst oft Aufträge weiter. Ich spreche mit anderen über Geld, Ideen und Inhalte. Oder wir inspirieren uns durch Gespräche und das, was wir tun.
Ich musste einen Umweg gehen. Weil ich beschlossen hatte, nicht gut netzwerken zu können, hörte ich auf, mich bei den folgenden Praktika zu Mittagessen zu zwingen, die mir unangenehm vorkamen. Auch in Büfettschlangen von Konferenzen gab ich meine Ambitionen auf und redete vor allem mit denen, die ich kannte. Weil ich mit dem Netzwerken abgeschlossen hatte, konnte ich in Arbeitskontexten anfangen, mich zu verhalten wie sonst auch: Ich sprach die Leute an, die ich wirklich spannend fand, und hörte auf mein Herz. Cheesy, I know. Aber es half sehr.
Raise each other up
Und wenn sich junge Frauen so zusammenschließen, Menschen, die Rassismus erleben, oder Leute, die es aus anderen Gründen in der Arbeitswelt schwieriger haben, dann ist das eben ein politisches Projekt. Denn auch wenn all diese Sprüche mittlerweile sehr oft auf Instagram-Kacheln inszeniert worden sind, haben sie von ihrer Wahrheit nichts verloren: We rise by lifting others und The success of every woman should be the inspiration to another. We should raise each other up (Serena Williams). Deshalb, wirklich: Tut euch zusammen. Schreibt euch an. Sprecht euch an. Vertraut euch euch an.
Eines der besten Dinge, die ich dadurch auch gelernt habe: Zugeben zu können, wenn ich unsicher bin. Manchmal schicke ich halbfertige Texte an Menschen, denen ich vertraue. „Ist das gut oder ist das Quatsch?“ Es hat mich noch immer weitergebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen