Das Bild hinter dem Bild

Kunsttechnologen durchleuchten am Kölner Wallraf-Richartz-Museum die Gemälde. Ihr Interesse gilt vor allem der Maltechnik. Unter einem Renoir haben sie sogar ein verborgenes Bild entdeckt

VON CHRISTIAN STEIGELS

Es ist fast wie bei der Gepäckkontrolle am Flughafen. Auf einem surrenden Monitor sind grobkörnige Formen zu erkennen. Mit wachen Augen beobachtet Caroline von Saint-George den Bildschirm. Doch die junge Frau mit dem malerischen Namen ist weder auf der Suche nach Drogen noch nach spitzen Gegenständen: Caroline von Saint-George ist Kunsttechnologin und durchleuchtet gerade Albert Marquets impressionistisches Meisterwerk „Vorort von Paris“.

Gemeinsam mit zwei Kolleginnen arbeitet von Saint-George für das Projekt „Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus“, einer Kooperation des Kölner Wallraf-Richartz-Museums und der Fachhochschule Köln. Seit Anfang des Jahres beschäftigen sie sich in der Restaurierungswerkstatt des Museums mit Bildern von Monet, van Gogh und Cézanne.

Während sich die Kollegen aus der Kunstgeschichte mit der inhaltlichen und formalen Seite der Werke befassen, ist der Ansatz der Kunsttechnologen zunächst ein materieller. Mit UV-, Infrarot- und Röntgentechnik prüfen sie die Klassiker auf Herz und Nieren, denn „das Interessante liegt häufig unterhalb der sichtbaren Oberfläche“, weiß von Saint-George. Das Interesse der Technologen gilt dabei neben der Restaurierung vor allem den Besonderheiten in der Maltechnik und Arbeitsweise der Künstler.

Eine kleine Sensation erwartete die Kunsttechnologen jüngst bei der Untersuchung des Bildes „Das Ehepaar Sisley“ von Auguste Renoir. Zuerst hatten sie so genannte Farbwülste auf dem Gemälde entdeckt, die auf eine unterliegende Schicht hindeuteten. Die Röntgenanalyse ließ dann keinen Zweifel darüber, dass unter dem Gemälde ein bis dato unbekanntes Bild versteckt ist.

„Irrsinnig spannend“ nennt von Saint-George derlei Untersuchungen. Sie legt Wert darauf, dass ihre Arbeit nicht nur restauratorischen Zwecken dient, sondern auch kunstgeschichtlichen Wert hat. Gerade am Beispiel der Impressionisten lässt sich das besonders gut zeigen. Gelten Monet und Co. unter Kunstkritikern gemeinhin als Revolutionäre hinsichtlich ihrer Arbeitsmethoden, entlarvt die Infrarotreflektographie die angeblich schnelle und spontane Arbeitsweise des öfteren als traditionelle Bildplanung mit Vorskizzierung. Und der Blick durchs Analyse-Stereo-Mikroskop zeigt, dass viele Werke nicht „au premier coup“ – in einem Arbeitsgang – entstanden, sondern das Ergebnis wochenlanger Tüftelei sind.

Von den Projekten, die demnächst auf sie zu kommen, freut sich von Saint-George vor allem auf Vincent van Goghs „Die Zugbrücke“. Da gerät sie regelrecht ins Schwärmen. „Schon mit bloßem Auge sieht man, dass da etwas Spannendes ist, das Aufschluss über seine Technik geben könnte. Das kann man dann vergleichen mit anderen Werken und seinen Ansichten über Malerei“, sagt sie. Für einen Moment scheint scheint sie abgetaucht in die Welt des niederländischen Künstlers. Doch dann widmet sie sich wieder ganz dem surrenden Monitor und den grobkörnigen Details des „Vorort von Paris“.