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Olympia in Tokio als BrennglasMehr als bloße Spiele

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Olympia 2021 hat nicht nur deutsche Medaillen zu bieten. Im Mittelpunkt der Sommerspiele stehen schöner Sport, berührende Gesten – und viel Politik.

Politische Geste: US-Athletin Raven Saunders in Tokio Foto: Hannah McKay/reuters

B ei Olympia werden Geschichten erzählt und es wird Geschichte geschrieben. Meistens geht es um den Sport. Es geht aber auch um Politik. Es ist ein Weltereignis, das mehr zu bieten hat als Gold für Deutschland. Zweimal gab es das am Dienstag, im Weitsprung und im Bahn-Vierer. In den öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen wird besonders laut gejubelt, wenn Deutsche Edelmetall gewinnen. Man soll sich mitfreuen. Wer’s mag – bitte sehr.

Der Jubel muss ja nicht gleich so exzessiv sein wie der des Italieners Gianmarco Tamberi, der am Sonntag überraschend Olympiasieger im Hochsprung geworden ist. Dessen Jubel hat Menschen in der ganzen Welt Tränen in die Augen getrieben. Die Macher der Spiele vom Internationalen Olympischen Komitee werden sich über die Bilder auch gefreut haben. Sie stricken gerade an einer Geschichte vom großen Sportsgeist, weil der Katarer Hochspringer Mutaz Essa Barshim, der ebenso gut gesprungen war, auf ein Stechen um den Sieg verzichtet hatte. So konnten sich beide eine Goldmedaille um den Hals hängen. Die Botschaft: So schön kann Sport sein.

Ja, kann er. Aber Sport ist mehr. Gerade bei Olympia, dem unvergleichlichen Welt­er­eig­nis, zeigt sich die globale Gesellschaft wie in einem Brennglas. Das kann ermutigend sein wie der Auftritt der Gewichtheberin Laurel Hubbard, der ersten Transgender-Athletin in der Geschichte der Olympischen Spiele. Und das kann erschütternd sein wie das Verhalten der belarussischen Funktionäre, die eine Sportlerin zur Staatsfeindin erklären, nur weil sie Kritik am Trainer geübt hat.

Und bitter ist gewiss, dass eine Ausnahmesportlerin wie die Turnerin Simone ­Biles Wettkämpfe absagen muss, weil sie mit psychischen Problemen zu kämpfen hat. Dass ihr aber beinahe überall in der Welt Zuspruch zuteil wird, dass sie so zur Hoffnung spendenden Botschafterin für Menschen wird, die an Depressionen leiden – das ist eine der schönen Geschichten dieser Spiele. Es ist eine Geschichte, die in der ganzen Welt vernommen wird. Dagegen verblasst jeder deutsche Olympiasieg, auch wenn Malaika Mihambo, Siegerin im Weitsprung, nach ihrem Satz auf sieben Meter wirklich schön gestrahlt hat.

Mehr und mehr Athleten machen sich auf, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Sie sind mündige Weltbürgerinnen, so wie ­Raven Saunders, die auf dem Podest ihre Silbermedaille im Kugelstoßen mit gekreuzten Händen gefeiert hat, um gegen rassistische und homophobe Diskriminierung zu protestieren. Helden bei Olympia sind nicht nur schnell, geschickt oder konzentriert. Sie sind auch politisch. Olympia ist ein politisches Spiel. Schönen Sport bekommt man noch dazu geliefert.

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Andreas Rüttenauer
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