Streit übers Erbe der Welt

Köln umbaut den Dom mit Hochhäusern. Ob er dann noch Weltkulturerbe ist, darüber entscheidet heute die Unesco

Das Völkerrecht einzuhalten ist nicht nur für Diktatoren und US-Präsidenten manchmal schwierig. Auch Köln hat seit einiger Zeit seine liebe Not damit, genauer: mit der Einhaltung der Unesco-Konvention zum Schutz des Weltkulturerbes. In dem Pariser Vertrag von 1972 heißt es, die Mitglieder müssten „sicherstellen, dass effektive und aktive Maßnahmen getroffen werden zum Schutz, zur Bewahrung und zur Präsentation“ des Erbes auf dem eigenen Territorium.

In Köln ist das Weltkulturerbe natürlich der Dom. Doch mit dem Schutz und der Bewahrung der Kathedrale nimmt es die amtierende Stadtregierung nicht so genau. Ein Kranz von Wolkenkratzern soll in direkter Nachbarschaft des Doms entstehen und – je nach Perspektive – den Anblick der prächtigen Gotik durch schnöde Glas-und-Stahl-Brocken verdecken. Wer sich von Osten mit dem Auto der Stadt nähert, würde den bislang über allem thronenden Dom nur noch wie durch einen Bretterzaun erahnen können.

Der Unesco schmeckten diese Planungen von Anfang an nicht, und so warnte sie bereits 2003 vor der möglichen Aberkennung des „Weltkulturerbe-Status“.

Doch den CDU-Oberbürgermeister der Karnevalsmetropole, Fritz Schramma, focht das nicht an. Beharrlich wies er die Forderungen der Unesco nach einer Überarbeitung der Pläne zurück und argumentierte, nur Hochhäuser könnten den wirtschaftlichen Aufschwung symbolisieren, den gerade die rechtsrheinische Hälfte der Stadt, auf der die Bauten entstehen sollen, so nötig habe. 2003 genehmigte die Stadt den ersten Turm. Damit hatte es Schramma zu weit getrieben. Im Juli 2004 setzte die Unesco den Dom auf die Rote Liste des gefährdeten Weltkulturerbes.

Statt auf diesen unübersehbaren Wink hin zu kooperieren (wie es in der Vergangenheit Potsdam oder Wien getan haben), verrannte sich die Kölner Stadtspitze in den Folgemonaten in eine Trotzecke. „Wir brauchen die Unesco nicht“, war als Quintessenz aus Rathaus und Lokalpresse zu vernehmen. Heute droht bei der 29. Unesco-Konferenz im südafrikanischen Durban nun die Aberkennung des 1996 vereinbarten Status. Dass die Kirche wieder von der Roten Liste genommen und in den Normalzustand eines Weltkulturerbes zurückversetzt wird, ist unwahrscheinlich. Aus Unesco-Kreisen heißt es, die 21 Mitglieder der Konferenz würden sich auf ein Moratorium verständigen. Demnach hätte die Stadt Köln noch ein weiteres Jahr Zeit, um ihre Hochhauspläne zu revidieren und statt in die (mit dem Dom konkurrierende) Höhe in die (finanziell weniger lukrative) Fläche zu bauen.

Ob Aberkennung oder Moratorium – die Stadt Köln würde der Bundesrepublik eine deftige diplomatische Peinlichkeit bereiten. Am 5. Oktober soll Bundespräsident Horst Köhler als einer von zwei Staatschefs zum 60-jährigen Bestehen der Unesco sprechen. Über ein deutsches Kulturerbe auf der Roten Liste wäre er sicher „not amused“.

SEBASTIAN SEDLMAYR