piwik no script img

Regierungsumbildung in SpanienWeniger Urgesteine, mehr Frauen

Pedro Sánchez hat sein Kabinett umgebaut. Die Neubesetzungen sollen die angeschlagene Regierung wieder attraktiv machen.

Wirtschaftsministerin Nadia Calviño (hinter Sánchez) wird erste Vizeregierungschefin Foto: dpa

Madrid taz | Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez setzt auf eine neue Belegschaft für „die Zeit nach der Pandemie“. Der 49-jährige Sozialist hat seine Regierung am Samstag komplett umgebildet. „Jünger und mehr Frauen“, erklärte der Chef der Koalitionsregierung der sozialistischen PSOE und der linksalternativen Unidas Podemos (UP). Die Zeitung „La Vanguardia“ sprach von einem politischen Erdbeben.

Der Altersschnitt sinkt von 55 auf 50 Jahre und der Frauenanteil im 23-köpfigen Kabinett steigt von 54 auf 63,6 Prozent. 14 der 23 Regierungsmitglieder sind fortan Frauen. Spanien habe damit erneut eine „Vorreiterrolle in Europa“, so Sánchez auf seiner Pressekonferenz am Samstagnachmittag.

Es ist die größte Regierungsumbildung, seit Sánchez 2020 die aktuelle Koalitionsregierung formte. Die fünf Ministerien der Linksalternativen sind von der Umbildung ausgeschlossen.

Sánchez entließ mehrere sozialistische Urgesteine aus der Regierung, darunter die bisherige Erste Vizeregierungschefin Carmen Calvo. Ihre Stelle wird die alte und neue Wirtschaftsministerin Nadia Calviño einnehmen. Sie kam einst aus der EU-Kommision, wo sie die rechte Hand des EU-Kommissars Günther Oettinger war. Calviño gilt als Verfechterin eines eher marktwirtschaftlichen Kurses und war als Wirtschaftsministerin öfter mit Unidas Podemos zusammengestoßen.

Drei junge Bürgermeisterinnen im Kabinett

Zweite Vizeregierungschefin wird die alte und neue Arbeitsministerin von UP, Arbeitsrechtsanwältin Yolanda Díaz. Calviño und Díaz gerieten in der Vergangenheit immer wieder aneinander, wenn es etwa um die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes oder um die Arbeitsmarktrefom ging.

Das neue Kabinett soll die „große Chance“ effektiv nutzen, die die EU-Hilfsmilliarden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronapandemie darstelle, erklärt Sánchez. Weitere Sachkompetenz holte sich Sánchez mit drei jungen Bürgermeisterinnen ins Kabinett.

Neben der neuen Regierungssprecherin Isabel Ródriguez (40) aus Puertollano im zentralspanischen Kastilien-La Mancha zieht die Telekommunikationsingenieurin Diana Morant (41) aus dem Mittelmeerort Gandía ins Wirtschaftsministerium ein. Ihr wird eine wichtige Rolle in der Modernisierung und Digitalisierung mittels EU-Geldern zukommen.

Ihre Kollegin aus Gavà, einem der roten Vororte Barcelonas, Raquel Sánchez (45), wird das Transportministerium übernehmen. Ihr wird nachgesagt, besonders dem Umweltschutz und der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet zu sein. Als Bürgermeisterin sorgte sie durch ihren Kampf gegen die Prostitution und die Bußgelder für Freier für Schlagzeilen.

Auch das Außenministerium wird neu besetzt. Arancha González Laya wird durch den bisherigen spanischen Botschafter in Paris, José Manuel Albares, ersetzt. Ins Justizministerium zieht mit der bisherigen Senatspräsidentin Pilar Llop eine Richterin ein.

Der neue Kabinettschef unterstützte einst die Gegnerin

Mit Sánchez' einflussreichem Kabinettschef Iván Redondo scheidet ein echter Guru der politischen Kommunikation aus dem Amt. Redondo wird durch den sozialistischen Veteranen Óscar López ersetzt. López kehrt damit zurück ins Umfeld von Sánchez, obwohl er einst bei Urwahlen in der Partei dessen Gegnerin unterstützte.

Auch wenn Sánchez es so nicht sagt, soll die neue Belegschaft die durch die Pandemie angeschlagene Regierung wieder attraktiv machen. In spätestens zwei Jahren sind Neuwahlen und derzeit sind die Umfragewerte für die Sozialisten alles andere als gut. Bei den Regionalwahlen im Mai in der Hauptstadtregion Madrid schnitten die Sozialisten schlechter ab denn je.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!