„Durchaus motiviert“

Ein Fachtag diskutiert über die „Pisa-Risikogruppe“

taz: Die „Pisa-Risikogruppe“...

Eva Quante-Brandt: Das sind all die 15-Jährigen, die lediglich ein oberflächliches Verständnis von einfachen Texten generieren können. Schätzungen zufolge trifft das auf 30 Prozent eines Altersjahrgangs zu.

Sind diese Menschen nicht das personifizierte Scheitern der Bildungspolitik?

Das Bildungssystem ist jedenfalls nicht in der Lage, diesen jungen Menschen Lesen und Schreiben so beizubringen, dass sie höheren Anforderungen entsprechen können.

Liegt das an der individuellen Motivation oder den Schulen?

Weder versagt das Bildungssystem auf ganzer Linie, noch kann man sagen, dass diese Jugendlichen alle nicht motiviert wären. Wir führen dazu eine qualitative Studie durch, für die wir 55 SchülerInnen aus der „Risikogruppe“ und 30 Lehrkräfte aus Bremen befragt haben. Die Ergebnisse zeigen, dass 80 Prozent derer, die wir befragt haben, durchaus motiviert sind, Versäumnisse aus der Schule nachzuholen.

Machen sie das dann auch?

Wir gehen davon aus, dass diese Menschen sich auf den Weg machen, wenn sie ein entsprechendes Angebot vorfinden. Man darf diese Gruppe also nicht abschreiben. Sie diagnostiziert selbst relativ klar, was sie nicht kann.

Welche Forderungen leiten sich aus der Studie ab?

Lehrkräfte müssen dahingehend fortgebildet werden, dass sie junge Erwachsene entsprechend unterrichten können. Außerdem braucht es Fördermaterialien und ein Diagnostikum. Das entwickeln wir zurzeit. Man muss zudem berücksichtigen, dass diese Zielgruppe sehr heterogen in ihrer Leistung ist, so dass man in entsprechenden Bildungsgängen Doppelbelegungen mit pädagogischen Fachkräften benötigt. Nachlernprozesse sind ein finanziell aufwändiger Prozess.

Interview: Jan Zier