Katja Andreewa, Journalistin

Die 27-Jährige hat Bilder von Demonstrationen ins Netz gestellt. Jetzt sitzt sie in der Strafkolonie in Grodno ein

Wenn man mich fragte, ob ich etwas anders machen würde, als am 15. November vergangenen Jahres, ist die Antwort: Nein!“, schreibt Katerina (Katja) Andreewa in einem Brief an ihren Mann Igor Iljasch. Da ist das Urteil gegen sie schon ergangen.

Katja Andreewa, die an der Belarussischen Staatlichen Universität (BGU) Journalismus studiert hat, ist furchtlos. Und sie ist neugierig. Um zu berichten, geht sie auch an Orte, wo sich andere nicht hintrauen. Zum ersten Mal wird die 27-jährige Minskerin im März 2017 festgenommen – unter anderem, weil sie von einer Demonstration gestreamt hat. Das macht sie auch am 15. November 2020 wieder, vom Balkon einer Wohnung am „Platz der Veränderungen“ – dem Innenhof eines Wohnkomplexes in Minsk, der zum Symbol für die Proteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko schlechthin geworden ist.

Der Vorwurf gegen Andreewa lautet auf Teilnahme an einer unerlaubten Massenveranstaltung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Aus dem siebentägigen Arrest wird eine längere Inhaftierung. Jetzt heißt es, sie habe gegen Artikel 324, Absatz 1 Strafgesetzbuch verstoßen – „Organisation und Vorbereitung von Aktionen, die die öffentliche Ordnung verletzen oder aktive Teilnahme an solchen Aktionen“. Bis zur Gerichtsverhandlung bleibt sie in Untersuchungshaft, ein Wiedersehen mit Verwandten wird untersagt.

Am 18. Februar verkündet ein Gericht das Urteil gegen die Korrespondentin des unabhängigen polnischen Fernsehsenders Belsat: Zwei Jahre Haft. Ihr Kollege, Dmitri Jegorow, spricht von „Rache“, „nackter Gewalt“ und einer Politik der Einschüchterung gegenüber Journalisten.

Im Jahr 2020 hat Katja Andreewa mit ihrem Mann ein Buch unter dem Titel „Der belarussische Donbass“ herausgegeben. Darin geht es um die Rolle von Belarussen im bewaffneten Konflikt in der Ukraine. Das Buch dokumentiert die Geschichten zahlreicher Kämpfer belarussischer Herkunft, die sowohl auf Seiten der Ukraine, als auch auf der Russlands gekämpft haben. Am 26. März 2021 wird das Buch in Belarus als „ex­tremistisch“ verboten.

Katjas Mann Igor, der 2020 ebenfalls kurzzeitig in Haft geriet, jetzt aber wieder auf freiem Fuß ist, berichtet auf Facebook fortlaufend über Katjas Schicksal. Sie werde von einen Gefängnis ins nächste verlegt. Ihr Transport von Schodino nach Mogiljow sei nicht die beste Reise ihres Lebens gewesen. Sie habe die ganze Zeit über Handschellen tragen müssen, im Waggon seien Hunde und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte gewesen, habe Katja in einem Brief geschrieben, berichtet Igor.

Derzeit sitzt Katja Andreewa in der Strafkolonie in Grodno ein – in Quarantäne, der obligatorischen ersten Station für Neuzugänge in Haftanstalten. Sie beschäftigt sich mit Pflanzen. „Ich habe mehr als hundert Samen gepflanzt, wunderschöne künftige Blumen“, schreibt sie. Auf ihre Kleidung ist ein gelbes Etikett mit Vor- und Nachnamen genäht – eine spezielle Kennzeichnung für Häftlinge mit einer „Neigung zum Extremismus“. Sie fühle sich dennoch gut und sei positiv gestimmt, heißt es in einem Brief an ihren Mann. Und: „Wisse, unsere Liebe wird alles und jeden besiegen.“

Janka Belarus

Aus dem Russischen: Barbara Oertel