Die Geheimquelle sitzt im Weißen Haus

Karl Rove, Chefberater von US-Präsident Bush, soll die Identität einer Undercover-Agentin preisgegeben haben

WASHINGTON taz ■ Selten war eine Pressekonferenz im Weißen Haus so aggressiv. Selten verweigerte der Pressesprecher so eisern jede Auskunft. Selten schwiegen die Republikaner so hartnäckig. Denn die Affäre um die illegale Enttarnung einer CIA-Agentin im Sommer 2003, die darin kulminierte, dass die New-York-Times-Reporterin Judith Miller vergangene Woche verhaftet wurde, da sie ihre Quellen nicht preisgeben wollte, hat das Weiße Haus ins Mark getroffen.

Ausgerechnet Karl Rove, Präsident Bushs Chefstratege, soll nach US-Medienberichten eine der geheimen Quellen gewesen sein. Bushs wichtigster Berater habe mit dem Reporter-Kollegen von Miller, Matthew Cooper vom Time-Magazin, über die Agentin Valerie Plame gesprochen, zitierten US-Zeitungen Roves Anwalt. In der vergangenen Woche habe Rove Cooper von dessen Versprechen befreit, Roves Identität nicht preiszugeben. Damit entging Cooper einer Beugehaft, da er zunächst seine Quelle ebenfalls nicht aufdecken wollte.

Die Preisgabe der Identität einer Undercover-Agentin ist in den USA eine Straftat. Bush hatte daher mehrfach angekündigt, jenen Mitarbeiter zu entlassen, der die Information an die Presse weitergeleitet hat. Die Enttarnung ist laut Plames Ehemann Joseph Wilson ein Racheakt der Bush-Regierung für seine kritische Haltung zum Irakkrieg. Der Diplomat hatte Bushs Behauptung widersprochen, Saddam Hussein habe sich im Niger Uran für Atomwaffen zu beschaffen versucht.

Beleg dafür, dass Rove mit Cooper über Wilson und dessen Frau gesprochen habe, ist ein E-Mail-Briefwechsel. Auch Roves Anwalt gab zu, dass sein Mandant mit Cooper über Wilsons Frau geredet hat. Er betonte jedoch, Rove habe „nie wissentlich vertrauliche Informationen“ aufgedeckt. Zudem habe er nie einem Journalisten Plames Namen genannt. Demnach müsste es eine zweite Quelle geben. Rove wurde von Anfang an als möglicher Informant gehandelt. Das Weiße Haus hatte stets bestritten, dass er etwas mit dem Fall zu tun habe. Juristisch betrachtet ist unklar, ob er eine Straftat begangen hat. Rechtsexperten meinen, die E-mail-Kommunikation belege noch kein kriminelles Verhalten. Sie zeige nicht, dass Rove vom Undercover-Status Plames gewusst habe.

Doch der politische Flurschaden ist enorm. Bush hat einen Skandal am Hals, der den Demokraten eine Steilvorlage liefert. Sie forderten ihn auf, sein Versprechen zu halten und Rove zu feuern. MICHAEL STRECK