wortwechsel
: Von Tierwohl, Parteitag und Rechtsextremismus

Publizistin Emcke verbindet auf Parteitag der Grünen Antisemitismus mit Elitenkritik. Staatliches Tierwohllabel ist gescheitert. Westlinke verzichten auf kritische Innenschau

Glücksschwein auf der Wiese Foto: imago

Missglückte Aktion

„Zwei Eigentore“, taz vom 16. 6. 21

Das Eigentor von Hummels findet Eingang in Ihre Berichterstattung, aber die Aktion des Greenpeace-„Aktivisten“ gegen VW findet keinen Aufmacher? Dabei wurden Menschen, einer schwer, verletzt. Seien wir froh, dass niemand an eine terroristische Aktion von Islamisten dachte. Sie erinnern den 13. November 2015? An diesem Tag gab es ein Freundschaftsspiel zwischen der deutschen und französischen Nationalmannschaft und viel Terror am Stadion und in der Stadt mit vielen Toten. Hätte gestern ein Sicherheitsdienst ähnliche Gedanken gehabt, wäre der „Aktivist“ tot. Sind das Aktionen gegen VW wert? Peter Barthelmes, Mainz

Verwegene Hoffnung

„Eklat entdeckt“, taz vom 13. 6. 21

Carolin Emcke ist für mich ganz zweifellos eine der klügsten, empathischsten und profiliertesten Intellektuellen, die wir in Deutschland haben. Aus diesem Grunde folgende Anmerkungen: Emcke wird kaum geschichtsvergessen, sondern bewusst formuliert haben (persönlich hätte ich den beschriebenen Vergleich nicht angestellt, weil er zumindest des verständigen Wohlwollens, überdies einer ausgeprägt(er)en geistigen Reife und Vorurteilslosigkeit der Zuhörer und Nachlese/r bedarf). Darüber hinaus muss der Publizistin klar gewesen sein, dass der „Antisemitismusvorwurf“ kommen wird – und woher vorzugsweise. Indes, abgesehen von der ausgetauschten Rhetorik, stimme ich dem von Carolin Emcke angenommenen Grad der Kritikradikalisierung an der Klimaforschung – trotz aller bereits beobachteten, gesellschaftspolitisch bedingten Ignoranz – nicht gänzlich zu. Vielleicht aber ist auch nur meine verwegene Hoffnung auf allerseits notwendige Einsicht die Mutter dieser Einschätzung. Matthias Bartsch, Lichtenau

Ministerattrappe

„Klöckners Desaster“, taz vom 16. 6. 21

Jörn Kabisch übt sich offenbar in positivem Denken gegenüber einer Landwirtschaftsministerin, die in der Nachfolge der vorigen CSU-Landwirtschaftsminister und getreu den Vorstellungen des groß­agrar­ischen Deutschen Bauernverbandes sowie der Pestizidindustrie steht. Hat sich Frau Klöckner je irgendwo effektiv für den Tier- und Umweltschutz eingesetzt und entsprechend in Brüssel verhandelt? Im Gegenteil! Da sie politisch offenbar nichts Reformerisch geschehen lassen wollte, setzte sie Gremien und Kommissionen ein, bis nun die Legislaturperiode ihrem Ende zutreibt und sie bestenfalls nach der Bundestagswahl den Posten wohldotiert räumen muss. Womit hat Deutschland eine solche Ministerattrappe verdient?

Ernst-Friedrich Harmsen, Berlin

Rechtsextremismus

„Die Gefahr droht von rechts“,

taz vom 16. 6. 21

In der Beschreibung der Gefahr durch Rechts- und Linksextremisten von Horst Seehofer fehlen eigenartiger Weise die Extremisten der Marktradikalen in AfD, FDP, CDU, SPD und Grünen. Ist das jetzt Zufall oder hat sich der clevere Stratege Seehofer was dabei gedacht? Denkbar ist doch folgender Schachzug: Wann immer Leute gegen Niedriglöhne, Leiharbeit, zu hohe Mieten oder Autowahnsinn auf die Straße gehen und sich auch noch gelbe Westen umhängen, kann man sie als Extremisten diffamieren. Ein paar Provokateure sorgen dann schon für die Chaosbilder, die die Bild-Zeitung für ihre Titelseiten dringendst benötigt.

Dieter Schönrock, Hamburg

Aufbau Ost

„Luft nach links“, taz vom 14. 6. 21

Der Aufwärtstrend der Grünen ist vorerst gestoppt. Das musste man auch beim Parteitag nun schmerzlich eingestehen. Doch die ganze Entwicklung hat für mich vor allen Dingen nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt einen faden Beigeschmack. Denn hier zeigte sich, stellvertretend für den gesamten Osten, dass die Grünen in den neuen Bundesländern nicht punkten können. Über alle Euphorie, die wir vor 30 Jahren und noch lange danach über die Wiedervereinigung unseres Landes empfunden haben, täuscht doch eine Tatsache nicht hinweg, dass die ostdeutschen Bürger anders ticken. Oder wie soll man sonst das geringe Interesse an Umweltthemen und Klimaschutzzielen in den neuen Bundesländern deuten, die vor allen Dingen ja die Grünen immer wieder auf die Tagesordnung bringen? Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass die Grünen in den alten Bundesländern allein eine viel größere Chance hätten, bei der nächsten Bundestagswahl das Kanzleramt zu erobern!

Thomas Henschke, Berlin

Innenschau verzichtbar?

„Wähler machen Radikalisierung mit“,

taz vom 16. 6. 21

Was für ein Glück, dass sich 89 ein paar mutige DDR-Bürger aus der Deckung wagten, um ihrem Staat zur wirklichen Demokratie zu verhelfen. Dass auf den rollenden Zug andere aufsprangen und Richtung wie Ziel bestimmten, war halt ihr Pech. Die alten Bundesländer müssen sich bis heute herumschlagen mit ihren missratenen Stiefkindern aus der einstigen DDR, die halt „diktatursozialisiert und auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“. Solange man dort auch nach 30 Jahren noch genügend Mist, Murks und Missetäter findet und sich an Fragen zu „rechter Zustimmungsbereitschaft“ im Osten abarbeiten kann wie im Interview mit dem Theologen und Soziologen David Begrich, sind (selbst)kritische Innenschau, Systemanalyse und zukunftsnotwendige Korrekturen doch verzichtbar. Jutta Krauß, Eisenach

Selbstzerfleischung

„Revolte gegen Wagenknecht“,

taz vom 11. 6. 21

Sarrazin, Palmer, Wagenknecht: In den letzten Jahren scheint das Mittel des Parteiordnungsverfahrens, das von den Antragsstellern zumeist mit dem Ziel eines Parteiausschlusses verfolgt wird, inflationär genutzt zu werden. Dennoch kommt es in den seltensten Fällen tatsächlich dazu, dass ein Mitglied aus den eigenen Reihen entfernt wird. Wenn es aktuell um Personen wie Sahra Wagenknecht geht, die als frühere Fraktionsvorsitzende und heutige Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl nicht zuletzt aufgrund ihrer literarischen Ausführungen im Rampenlicht steht, wird man ebenso Schwierigkeiten haben, eine stringente Argumentationskette zu bilden, die ihre Beschädigung des Ansehens der Linken hinreichend begründet. Schlussendlich hat sie zwar in erheblichem Maße Abstand von der Grundsatzprogrammatik der Partei genommen. Ich vermag aber nicht zu erkennen, dass sie mit der Kritik an falschen Schwerpunktsetzungen, theoretischer Ideologisierung und innerparteilichen Profilierungsversuchen der Linken den Ruf dieser politischen Kraft in Misskredit gebracht hat.

Dennis Riehle, Konstanz

Koalitionsvertrag

„Der Elefant im Raum“, taz vom 12. 6. 21

Wir werden sehen, wie viel Ökologie der Koalitionsvertrag zwischen der Union und den Grünen haben wird. Da weniger Verbrauch nicht einmal bei den Grünen selbst konsensfähig ist, muss das jetzige Wohlstandsniveau plus „Grünes Wachstum“ der nächsten Jahrzehnten vollständig transformiert werden. Das wird immense Summe kosten: Investitionen in erneuerbare Energien, in alternative Technologien, energetische Gebäude­sanierung, neue Mobilitätsangebote et cetera. Diese Kosten können teilweise per Gesetz auf die Bürger umgelegt werden. Das würde an vielen Stellen zu sozialen Verwerfungen führen. Um das zu kompensieren, braucht man Geld. Dazu kommt die Absicht der Grünen, schon jetzt bestehende soziale Schieflagen zu kompensieren. Ist das mit einer CDU/CSU möglich, die Steuererhöhungen für Wohlhabende auf den Index gesetzt hat, die Schwarze null ein Dogma ist?

Thomas Damrau, Böblingen