„Wachsende Katastrophe“

Der Verein „Wir packen‘s an“ beteiligt sich an der Seebrücken-Kampagne „Menschenrechte sind unverhandelbar“. Aktionen am Samstag und Sonntag

Aktionen rund um den Weltflüchtlingstag. In Berlin Samstag 15 Uhr Kundgebung am Mariannenplatz. Sonntag Demonstration von Seebrücke, Start 13 Uhr vor der Volks­bühne. In Potsdam gibt es am Samstag ab 17 Uhr eine Kundgebung von Seebrücke mit Konzert am Bassinplatz.

Interview Susanne Memarnia

taz: Frau Tödter, mit den Spenden, die Sie für Ihren Verein „Wir packen’ s an“ bekommen, werden Flüchtlingslager in Griechenland versorgt. Wie ist die Lage dort?

Miriam Tödter: Die Lager auf den Inseln werden leerer. Seit letztem Jahr kommen dort weniger Menschen an. Der Hintergrund ist, dass die Seegrenzen eng bewacht sind und Menschen illegal in die Türkei zurückgedrängt werden. Der andere Grund ist, dass die Asyl-verfahren beschleunigt worden sind. Das geht inzwischen in wenigen Monaten, die Menschen werden dann nach Athen gebracht.

Dass sie aus den Lagern rauskommen, klingt erst mal gut.

Ja, nicht? Das haben wir immer gefordert: Evakuiert die Lager! Das Problem ist, dass die Menschen überhaupt keine staatliche Unterstützung mehr bekommen, sobald sie als Flüchtlinge anerkannt sind. Es dauert Monate, bis sie ihre Papiere mit der Arbeitserlaubnis bekommen – falls sie dann Arbeit finden. In Athen leben tausende Familien auf der Straße. Die Leute kehren dann auf die Inseln zurück, weil es das Einzige ist, das sie kennen.

Gibt es Hilfe auf den Inseln?

Nein, sie leben auch dort auf der Straße oder in den Dschungelcamps am Rand der offi­ziel­len Flüchtlingslager. Sie bekommen nicht mal mehr das schlechte Essen, das es in den Lagern gibt. Das ist eine wachsende Katastrophe.

Ist das der Grund, warum Sie auch Hilfen außerhalb der Lager anbieten?

Genau, wir sind jetzt auch in Athen, Thessaloniki und Patras vor Ort. Allein in Athen versorgen wir mit drei Organisationen ungefähr 1.000 Menschen.

Auch auf dem Balkan sind Sie aktiv, auch dort soll es illegale Pushbacks geben von Kroa­tien nach Bosnien.

Miriam Tödter ist Vizevorsitzende von „Wir packen’s an“ in Brandenburg.

Ich war im März in Bosnien, in der Grenzregion. Wir sind vor allem in Velika Kladuša vertreten, dort gab es vorher überhaupt keine Unterstützung von außerhalb. Die Flüchtlinge leben in verfallenen Häusern und im Wald, ich habe mit Leuten gesprochen, die gepushbackt worden sind. Mehrere haben mir erzählt, dass sie geschlagen worden sind, man ihnen die Kleidung weggenommen hat – damals war es noch sehr kalt. Ich habe Leute mit Erfrierungen an den Füßen gesehen, weil sie nackt im Fluss ausgesetzt wurden.

Ihr Verein beteiligt sich am Samstag mit einer Kundgebung am Mariannenplatz an einer bundesweiten Kampagne namens #unverhandelbar. Was bedeutet das?

Menschenrechte gelten nicht nur für Menschen mit einem bestimmten Pass oder für jene, die das Glück hatten, an einem bestimmten Ort geboren zu sein. Es geht darum fliehen zu dürfen, Schutz suchen zu können, aber auch um menschenwürdige Lebensumstände, Zugang zu Gesundheitsversorgung, das Recht auf Bildung, gerade auch für Kinder. All das wird nicht nur an den Grenzen, sondern auch in Lagern in der Europäi­schen Union permanent verletzt. Menschenrechte sind unverhandelbar, müssen unverhandelbar sein.

Das ausführliche Interview siehe: taz.de/Berlin