Leben in der Schokoladenfabrik

Für das ehemalige Hachez-Gelände in der Neustadt gibt es erste Pläne. Selber kaufen und bebauen will die Stadt das Gelände wohl nicht – trotz Vorkaufsrecht

Ein neues Quartier soll im alten Hachez-Werk entstehen. Zumindest ein Teil der historischen Gebäude bleibt dabei wohl erhalten Foto: Jasmin Koepper

Von Lisa Bullerdiek

Schade, Schokolade: Hachez ist weg. Und nun? Über die Nutzung des ehemaligen Fabrikgeländes in der Neustadt sollen Bür­ge­r*in­nen mitentscheiden. Darauf haben sich die dänische Eigentümerfirma Toms und die Stadt bereits im Februar dieses Jahres in einer Absichtserklärung geeinigt. Am Dienstagabend gab es dazu eine erste Online-Infoveranstaltung, organisiert von der Senatorin für Klima, Umwelt, Mobilität und Stadtentwicklung, Maike Schaefer (Grüne).

„Einen Startschuss“ nannte Frank Schlegelmilch vom Bremer Stadtplanungsbüro BPW Stadtplanung die Veranstaltung. Der erste Teil der Onlineveranstaltung bestand aus Vorträgen; das Referat Stadtplanung machte seinen Beitrag, die Eigentümerfirma Toms, das Architekturbüro Cobe und auch die Initiative Schokotopia. Die Ini­tiative fordert für das Gelände bezahlbaren Wohnraum, auch abgesehen von den 30 Prozent Sozialwohnungen, die vorgesehen sind. Das Gelände dürfe nicht spekulierenden Investorenfirmen überlassen werden. Im zweiten Teil der Veranstaltung konnten Zu­schaue­r*in­nen sich über einen Chat beteiligen und Fragen stellen.

Die vielen verschiedenen Beteiligten in der Onlineveranstaltung zeigen schon die Schwierigkeit: Das Hachez-Gelände gehört noch einer privaten Firma und das wird sich vielleicht auch nach einem Verkauf nicht ändern. Zumindest erklärte Kristina Beckendorf von Toms im Namen ihrer Firma, dass sie das Gelände früher oder später loswerden wollen: „Wir sind keine Immobilienspezialisten und werden irgendwann an einen entsprechenden Investor verkaufen.“

Trotzdem, so Beckendorf, wollen die Stadt und auch Toms vermeiden, dass der Standort verfällt. Sie haben gemeinsam eine Absichtserklärung beschlossen, in der Verfahrensablauf und auch ein paar inhaltliche Punkte festgehalten sind: Dass eine Bürger*innenbeteiligung stattfindet und wie viele Wohnungen es geben soll, zum Beispiel. Außerdem hat die Stadt ein Vorkaufsrecht für das Gelände. Das aber greift nur unter bestimmten Umständen – etwa dann, wenn künftige In­ves­to­r*in­nen gegen die Absichtserklärung verstoßen. „Das Vorkaufsrecht ist für den absoluten Notfall“, sagt Jens Tittmann, Pressesprecher von Maike Schae­fer.

Erste Konzepte für das Gelände stellte Caroline Nagel vom Architekturbüro Cobe vor. Knapp 11.000 Quadratmeter stehen zur Verfügung. Das kleine Viertel soll zu 50 Prozent aus Wohnraum und zu 30 Prozent aus Gewerbe bestehen. Weitere 20 Prozent sollen „hybrid“ genutzt werden, was heißt, dass dort zum Beispiel Kitas, Pflegeeinrichtungen oder Vereine unterkommen könnten.

Zwischen 300 und 450 Personen sollen in dem neuen Quartier leben; das ist auch schon in der Absichtserklärung festgelegt. Optisch orientierten sich die Ar­chi­tek­t*in­nen am typischen industriellen Look der Neustadt, gemischt mit ökofuturistisch anmutenden Terrassen, Grünflächen, einem kleinen Schokoladenmuseum als Hommage im Zentrum.

„Das Vorkaufsrecht ist für den absoluten Notfall“

Jens Tittmann, Sprecher der Senatorin für Stadtentwicklung

Die Be­woh­ne­r*in­nen sollen sich nicht nur draußen, sondern auch in ihren Häusern begegnen: Dachterrassen und Waschkeller werden nach den Plänen gemeinsam genutzt. Und schließlich soll das Quartier möglichst autofrei sein – es liegt mitten im Fahrradmodellquartier Alte Neustadt. Das, was Cobe plant, muss am Ende im Bebauungsplanverfahren von der Stadt abgesegnet werden. „Das letzte Wort hat die Bürgerschaft“, sagt Axel König von der Stadtverwaltung.

Klingt ein bisschen, als sei alles schon fertig geplant. Mit diesem Einwand aus dem Chat begann die Diskussionsrunde. König von der Stadtverwaltung widersprach: „Wir meinen es mit der Beteiligung wirklich ernst. Die Absichtserklärung ist ein Rahmen.“ Beckendorf verwies mehrfach auf die „hybride Nutzung“ als Punkt, an dem die Bür­ge­r*in­nen ihre Ideen am besten einbringen können.

Caroline Schulze von Schokotopia mahnte dennoch – mit einem „prominenten Beispiel aus Hamburg“: das Holsten Areal. Firmen gaben das frühere Brauereigelände jahrelang weiter, ohne dass gebaut wurde. Und das trotz Absichtserklärung der Stadt.

Die nächste Beteiligungsrunde findet offline statt – und zwar bereits am Samstag, 19. Juni: Von 14 bis17 Uhr können sich Interessierte auf dem Werksgelände ander Westerstraße 32 informieren und einbringen