Syrische Geflüchtete in Berlin: Unnötiges Zögern
Der Senat soll die beschlossene Aufnahme von syrischen Geflüchteten endlich umsetzen, fordern Initiativen. Die Situation vor Ort sei untragbar.
„Bis zum heutigen Tage wurde keine einzige Person im Rahmen des Programms in Berlin aufgenommen“, kritisiert Syria-Not-Safe-Sprecher Qusay Amer. „Uns ist nicht klar, warum Berlin zögert.“ Neben der sofortigen Umsetzung des Programms fordert die Initiative, die Zahl der aufgenommenen Personen deutlich zu erhöhen.
Ursprünglich sollte laut des im Dezember 2018 vom Abgeordnetenhaus gefassten Beschlusses ein Programm für die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Geflüchteter entwickelt werden. Nach aktuellem Stand will Berlin jährlich hundert Menschen aus libanesischen Flüchtlingscamps in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHRC aufnehmen.
Obwohl die Zahl angesichts der geschätzt 1,5 Millionen Vertriebenen, die im Libanon immer noch in provisorischen Camps leben, eher wie eine symbolische Geste wirkt, droht sich die Umsetzung des Programms über die aktuelle Legislaturperiode hinauszuziehen.
Pandemie hat gebremst
Die verantwortliche Senatsverwaltung für Inneres gibt als Grund für die Verzögerung neben aufwändigen Absprachen mit den beteiligten Akteuren auch die zunächst ablehnende Haltung des Bundesinnenministeriums (BMI) an. Auch die Coronapandemie habe die Umsetzung erheblich verzögert, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung der taz.
Allerdings hat der Senat den entsprechenden Antrag für die Aufnahme von Geflüchteten an das BMI erst im Dezember 2020 gestellt – und das, obwohl die Aufnahme an sich bereits 2018 beschlossen war. Eine Aufnahme von ersten Geflüchteten werde aber noch dieses Jahr erwartet, sagte der Sprecher.
Dabei verschlimmert sich die Situation in den libanesischen Camps dramatisch: Das krisengeplagte Land befindet sich kurz vor dem politischen und wirtschaftlichen Kollaps. Infolge der Inflation haben sich die Lebensmittelpreise in den letzten Monaten vervielfacht. Selbst die libanesische Bevölkerung kann sich kaum noch Nahrungsmittel leisten; geschweige denn die geflüchteten Syrer:innen. „Die Bedingungen dort sind so schlimm wie noch nie“, sagte Amer. „Sie verdienen ein besseres Leben.“ Es sei dringend Zeit zu handeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Neuwahlen
Beunruhigende Aussichten
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“