berliner szenen
: Boombox und kleiner Vogel

Die Sonne ist da! Spring Break in der Hasenheide! Seitdem das Thermometer die magische 25 überschritten hat, tummeln sich auf Berlins Straßen und Plätzen wieder die Halbstarken. Vor ein paar Wochen sah das alles noch ganz anders aus.

Es war April und das erste Mal wieder warm. Ich saß bei Bier und Zigarette mit meinen beiden Mitbewohnern auf dem Flugfeld, völlig euphorisiert durch den ersten lauen Abend nach monatelanger Lockdown-Tristesse. So ging es wohl auch der Gruppe neben uns, die sich glücklich um eine Boombox platziert hatte und mit fortschreitender Stunde immer lauter wurde. Ein bisschen unheimlich war das. So viele Leute auf einem Fleck hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Gegen 21 Uhr stellte ich fest, dass das Picknick zu einem mittelgroßen Rave angewachsen war. Laute Trance-Klänge schallten zu uns herüber, Leute tanzten, grölten und fassten sich gegenseitig an. Wir unterhielten uns über Coronakonformität, über Ansteckungsgefahr, über unser aktuellstes Halbwissen bezüglich Aerosolen. Und darüber, dass auch wir nichts lieber täten, als mal wieder tanzen zu gehen. Daran, rüberzugehen und die Leute zurechtzuweisen, dachte keiner ernsthaft.

Irgendwann stoppte die Musik. Eine aufgeregte Frauenstimme verschaffte sich Gehör. „Das ist das Brutgebiet der Feldlerche!“, brüllte sie. Was den Leuten einfiele, man solle gefälligst Rücksicht nehmen und nicht nur an den eigenen Spaß denken! Und tatsächlich – unter betretenem Gemurmel löste sich die Crowd allmählich auf. Das Wohl des kleinen Vogels samt Babys war scheinbar der springende Punkt. Ansteckungsgefahr – zu abstrakt. Aber ganz ehrlich, verstehen kann ich’s schon ein bisschen. Heute Morgen ertappe ich mich dabei, wie ich meinem neuen Nachbarn zur Begrüßung die Hand schüttle. Fabian Schroer