Bob Dylans Einfluss auf Südamerika: Ein Mann aus Eisen
Nord- und Südamerika pflegen eine schwierige Beziehung. Doch US-Singer-Songwriter-Legende Bob Dylan hat die Kluft mit seiner Musik überwunden.
Ein lauer Spätsommerabend 2008 im ausverkauften Vélez-Stadion von Buenos Aires: Vor dem Beginn des Dylan-Konzerts tritt eine lokale Luxus-Einheizergruppe auf. Rockveteran Charly García krächzt: „Todo por Bobby“ (Alles für Bobby), der Oscar-prämierte Filmkomponist Gustavo Santaolalla („Motorcycle Diaries“) haut in die Saiten, und der „argentinische Dylan“ León Gieco zückt die Mundharmonika. Das Trio präsentiert eine muntere Hommage an den Meister aus den USA. Der radelte einige Tage später vor einem weiteren Auftritt mit Perücke und Frauenklamotten durch Uruguays Nobel-Seebad Punta del Este, um unerkannt zu bleiben.
war taz-Südamerikakorrespondent bis 2012, ist auf den Tag genau 18 Jahre jünger als Bob Dylan.
1972, das Säbelrasseln der Militärs war bereits unüberhörbar, war der damals 20-jährige Gieco mit seiner „Blowin' in the wind“-Variation „Hombres de hierro“ (Männer aus Eisen) auf einem Open-Air-Festival am Río de la Plata auf einen Schlag berühmt geworden. In der sechsteiligen Netflix-Serie „Rompan todo“ (Reißt alles nieder), von Santaolalla produziert, erzählen viele Protagonist:innen die wilde Geschichte des hispanoamerikanischen Rock seit Ende der 1950er Jahre.
Das ist der Kontext, in dem auch Bob Dylan wenige Jahre später südlich des Rio Grande seine ersten Fans fand. „Folg nicht falschen Führern“, sang der brasilianische Liedermacher Zé Geraldo mitten in der Militärdiktatur (1964-85) in „Como diria Dylan“ (Wie Dylan sagen würde), „schreib deine Geschichte mit den eigenen Händen“. Zu seinen ersten Live-Auftritten im Subkontinent flog der scheue Star aber erst im Januar 1990, nach São Paulo und Rio de Janeiro.
Zé Ramalho, Urgestein aus Brasiliens Nordosten, legte vor 13 Jahren ein komplettes Album mit Dylan-Coverversionen auf portugiesisch vor: „Tá tudo mudando (Things have changed)“. Der brasilianische Popstar Caetano Veloso coverte „Jokerman“, sein Kollege, der ehemalige Kulturminister Brasiliens Gilberto Gil, komponierte den „Provokations-Samba“ „De Bob Dylan à Bob Marley“. In Lateinamerika gilt Bob Dylans Musik immer noch als Ausdruck von Rebellion. Mittlerweile ist der US-Künstler auch im allertiefsten Süden Amerikas ein Popstar. Kinder, Friseursalons, selbst der Collie des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández heißen ihm zu Ehren: Dylan.
Allgemein begrüßt wurde in Buenos Aires auch die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Dylan 2016: „Das ist eine frische Brise im neoliberalen Universum“, meinte León Gieco damals. „Er hat immer viele Emotionen geweckt, mit seinen Texten, seiner so einzigartigen Stimme. Er ist ein Mann aus Eisen, von denen es jetzt keine mehr gibt,“ sekundierte sein Landsmann Fito Páez und fand jene Worte, die wir ihm jetzt noch einmal zurufen: „Gesundheit, alter Bob, du hast alles verdient!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“