Investieren, sanieren – aber wie?

Handels- und Arbeitnehmerkammer fordern einen neuen Geist für die Gesellschaft und haben ein Papier zur Zukunft Bremens verfasst. Alte Parolen und neue Einigkeitsbekundungen finden sich darin zu Hauf – aber kaum konkrete politische Ideen

bremen taz ■ Die Ankündigung klang interessant: Handels- und Arbeitnehmerkammer stellen ein gemeinsames Konzept vor, für die Gestaltung von Bremens Zukunft. Klingt nach konzertierter Aktion oder „Alle-Mann-Manöver“, wie Handelskammer-Präses Patrick Wendisch es formuliert. Vielleicht muss ja wirklich ein Ruck durch die Stadt gehen. „Bremen braucht ein Leitmotiv, eine Vision“, meint Wendisch. Und sein Kollege Hans Driemel von der Arbeitnehmerkammer sagt: Qualifizierte Arbeitsplätze müssten geschaffen, in Technologie investiert werden. Der Finanzausgleich müsse neu organisiert, Steuerschlupflöcher geschlossen und die Aktion von einer großen Öffentlichkeitskampagne begleitet werden.

Das haben Handels- und Arbeitnehmerkammer fein säuberlich aufgeschrieben. „Alle gesellschaftlichen Kräfte sind aufgefordert, sich an der Zukunftsinitiative Bremen zu beteiligen“, sagt Driemel. Ihm dürfte besonders am Herz liegen, dass die Förderung von Bildung und Wissenschaft und Investitionen in Humankapital hervorgehoben werden. Sonst lebt das Papier von Begriffen wie „Wegweisung für den Standort Deutschland“, „aktive Bürgergesellschaft“, „Effizienz- und Qualitätscontrolling“ und natürlich „Synergien“, die zwischen Bremen und Niedersachsen genutzt werden sollen. „Wir wollen nicht ins Detail gehen, dies ist ein Leitmotiv, dass Bremen voranbringen will“, sagt Patrick Wendisch. Oberstes Ziel sei es, Bremens Stärken in einem selbstständigen Bundesland zu erhalten.

In einer „schnellen“ Aktion hätten sich die beiden Kammern auf einen Konsens für das Papier verständigt, bekräftigen die Präsides. Überraschend, denn das jüngste Handelskammer-Papier zur Zukunft des Mittelstandes, in dem von Einsparungen die Rede war, hatten die Arbeitnehmer noch als „politisch hilflos“ kritisiert. Die Initiative für das neue Papier ging offenbar von der Handelskammer aus. Man habe sich auf mehr als nur einen Minimalkonsens geeinigt, so die Präsides. Besonders verwunderlich bleibt, dass die beiden an die Bremer Erklärung von 1992 anknüpfen. Die Arbeitnehmerkammer hatte noch vor zwei Monaten kritisiert, dass es einen „konstruktiven Dialog“ über das von beiden Seiten unterzeichnete Papier nicht gegeben habe.

Vergessen sind offenbar die alten Konflikte. Auf eine konkrete weitergehende praktische Kooperation, etwa in einem Beschäftigungspakt, wollten sich Driemel und Wendisch aber nicht festlegen. Für beide gehören Investitionen zur Bremer Zukunft. Der Begriff „Investition“ sei in der Vergangenheit häufig unter den Sparzwängen diskreditiert worden. „Wenn eine Volkswirtschaft nicht mehr investiert, gibt sie sich auf“, erklärte Wendisch. Jeder wisse, wie schwierig etwa die Finanzierung des Umbaus der Kaiserschleuse in Bremerhaven sei, das müsse man nicht immer wieder hören. Es sei Motivation gefordert, um diese Projekte anzupacken. Also: Her mit dem Geld, egal wie es refinanziert wird.

Die Kammern wollen dem Senat „beratend zur Seite“ stehen, wie Wendisch sagt. Darüber freut sich Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und preist die „große Koalition der Bürger“.

Kritisieren wollen die Kammern die Stadtstaat-Regierung nicht. Der Senat nehme seine Aufgaben wahr. Er solle wissen, dass er sich bei der Umsetzung der Leitbilder für Bremen auf die beiden Kammern verlassen könne. Aber mehr Ehrlichkeit forderte Hans Driemel von der Regierung, sie soll ihre Politik transparenter machen. kay müller