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In den Wäldern des Nordens

„Borealis – Life in the Woods“ von Fotograf Jeroen Toirkens und Autor und Fernsehjournalist Jelle Brandt Corstius wird (nach Ende der Pandemie) im Fotomuseum Den Haag zu sehen sein (bis 3. Oktober 2021)

Buch zur Austellung „Borealis – Trees and People in the Northern Forest“, Uitgeverij Lannoo, 256 Seiten, 55 Euro

Alle Fotos: Jeroen Toirkens – Courtesy Kahmann Gallery

Von Gunda Schwantje

In Japan schweben Fotograf Jeroen Toirkens und Autor Jelle Brandt Corstius in der Gondel eines Krans über den Baumkronen des borealen Waldes. In der Ferne ein Vulkan, der qualmende Schornstein einer Papierfabrik, unter ihnen dichte Waldvegetation. Das reisende Duo in Sachen borealer Wälder ist zu Besuch bei Wissenschaftler*innen, die diesen Wald, den Tomakai Experimental Forest, von der Krone bis ins weitverzweigte Wurzelwerk untersuchen. Auf der Insel Hokkaido wird außerdem auf diesem Testgelände, in dem Wald unter ihnen, seit neun Jahren künstlich eine Temperaturerhöhung des Bodens von vier Grad Celsius simuliert. Was blüht dem Wald – ein Zukunftsszenario für unseren Blauen Planeten?

Die Japanreise war Teil des Langzeitprojekts „Borealis – Life in the Woods“. Jeroen Toirkens und Jelle Brandt Corstius machten sich in vier Jahren achtmal in die großen Wälder der nördlichen Hemisphäre auf, die größte Vegetationszone der Erde. Die Geschichten der Bewohner*innen, die in diesen Wäldern ihr Zuhause haben, hielten sie fest im Wort und in einer stillen, eindringlichen Fotografie. Die borealen Waldgürtel aus vorwiegend Nadel- und Birkenwäldern erstrecken sich rund um die nördliche Halbkugel, in Europa, Asien und Nordamerika. Dreißig Prozent aller Bäume weltweit wachsen in dieser Vegetationszone. Die borealen Bäume sind lebenswichtig für das globale Klima. Sie setzen große Mengen an CO2-Emissionen in Sauerstoff um, sie speichern auch CO2. Weniger als 12 Prozent dieser Wälder sind geschützt, recherchierte Brandt Corstius.

Auf der Reise zu den Cree, den Ureinwohnern in Kanadas Norden, hatte Fotograf Toirkens ein Schlüsselerlebnis. Einige Cree waren ihnen auf ihrer Tour vorausgefahren, die Spur ihrer Motorschlitten tief im Schnee. Toirkens’ Gefährt schlug um, er bat den Reisegenossen, Hilfe zu holen. Dann stand er allein in der Tundra. Toirkens: „Ich spürte die schiere Dimension dieses Waldes und konnte mich auf einmal einfühlen, wie es wäre, dort zu leben.“ Das sagt einer, der seit 1999 in intensivem Kontakt mit den letzten Nomadenvölkern der nördlichen Hemisphäre ist, deren raue Lebensrealität in „Nomadslife“ beschrieben hat, gemeinsam mit Brandt Corstius.

Zu Gast bei Holzfällern in Norwegen und Russland, laut Toirkens „Menschen, die für die Holzindustrie arbeiten und zugleich ihren Wald erspüren und lieben in einer Weise, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können“. In Schottland besuchen sie ein Wiederaufforstungsprojekt, an den Wald erinnern oft nur noch vereinzelte Bäume. „Beim Kahlschlag fällt man nicht nur die Bäume, sondern zerstört auch die Waldböden. Davon erholt sich ein Wald in hundert Jahren nicht. Der Schutz der Wälder ist eine Frage des langen Atems.“ Während im vergangenen Sommer die Bilder von den verheerenden Bränden in Sibirien um den Globus gingen, dokumentiert Toirkens schwelende Brände. Bewusstsein schaffen durch Geschichten und Bilder, das ist der Auftrag von Borealis.

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