Bernd Müllender
Eingelocht
: Semigreiser Scheinzombie siegt

Vorher war es um die handlichen Lasergeräte gegangen. Die messen auf den Meter genau, wie weit entfernt die Fahne ist. Bei der 103. PGA Championship in Kiawah Island am vergangenen Wochenende, dem zweiten der vier Majors 2021, durften die Profis sie erstmals benutzen. Aber die Neuerung war umstritten. Die meisten argumentierten, das technische Hilfsmittel werte die Erfahrung und akribische Datensammlung der Caddies ab. Das Spiel werde eher langsamer statt schneller. Die Geräte wurden auch wenig genutzt.

Und es ging vorher um die Olympiateilnahme. Diverse Spieler haben schon abgewunken, etwa der US-Weltranglistenerste Dustin Johnson, der Australier Adam Scott oder der Engländer Lee Westwood, viele andere erklären sich skeptisch. Passt nicht in den engen Turnierrhythmus, sagen sie. So war das auch 2016 in Rio, bei Golfs olympischer Renaissance. Damals war das Zika-Virus in Brasilien eine willkommene Ausrede. Corona-Absagen für Tokio sind noch unbekannt. Corona, what Corona? 10.000 ZuschauerInnen, fast alle unverschleiert und kontaktnah, durften täglich aufs Gelände. Ein fremder, verstörender Anblick – so viele herumwuselnde Menschen.

Im Fokus war bald ein dunkelblauer Zombie. Und der spielte sogar mit. Seine Identität versteckte er als Man Behind Black mit einer dicken Pilotenbrille. Der Zombie, oder doch ein Alien?, nervte durch überlange Konzentrationsphasen, was eigentlich gegen alle irdische Regel ist. Bisweilen dachte man, jetzt ist er stehend verstorben. Immer mal wieder reckte er den Daumen hoch – wollte er zurück ins All trampen, war das Kontaktaufnahme mit der Zombiebasis? Die Menschen aber, sie hatten keine Scheu vor ihm; sie drängten sogar in seine Nähe, vor allem am letzten Grün, sodass man in South Carolina jetzt explodierende Inzidenzwerte erwarten muss.

Am Ende hatte der Zombie-Alien gewonnen. Er nahm die Brille ab. Man erkannte den Kalifornier Phil Mickelson, einst fünffacher Majorsieger, aber längst aus der Liste der 100 besten Golfer verschwunden. Mickelson, fast 51, ist jetzt der älteste Major-Sieger aller Zeiten – vorher war es 1968 ein Junior von 48 Lenzlein. Manchmal ist Golf tatsächlich nichts für junge Leute.

Mickelson ist sonst auf der Champions Tour (ab 50 Jahren) unterwegs, wo der weiterhin pandemisch erfolgreiche Supersenior Bernhard Langer (63) endlich mal Konkurrenz bekommen müsste. Jetzt, mit seinem sporthistorischem Sieg, ist der Kiawah Island Ocean Course ein mehrfach geschichtsträchtiger Platz. Hier unterlief jenem Langer der größte Fehlschlag seiner bald halbjahrhundertlangen Karriere. 1991, beim Ryder Cup gegen die USA, hatte er 1,50 Meter zum Loch, der Putt für Europas Titelverteidigung. Langer schob vorbei, das Bild seiner Entsetzensgeste mit zurückgebogenen Oberkörper ist längst ikonisch.

Aus dem Missgeschick wurde der „war on the shore“: Aufgepeitschte Fans trampelten auf den Grüns herum, störten johlend die Europäer bei den letzten Schlägen, bepöbelten sie samt ihrer Angehörigen. Die USA, gerade im Irak im Desert Storm zugange, gewannen ekelhafterweise noch. Jetzt der Mickelson-Sturm im At­lantikwind. Dank heftiger Böen versenkte ein anderer seine Kugel unter großem Zuschauergejohle übrigens in ­einer Abfallbox. „Müll­eimer-in-one“ hieß das. Schöner Name.

Aus Golfers Abc der Vorurteile heute T wie Tierwelt: „Golf ist sportive Naturliebe? Da werden doch permanent Tiere in ihrem Lebensraum gestört!“ Wahr ist: Inmitten vieler Plätze sind großzügige Biotope angelegt, für Golfer Betreten verboten, nur Bekrabbeln und Befliegen ist erlaubt. Fragen Sie mal Frösche, wo sie in den Monokulturen der Landwirtschaft vorher ein nasses Habitat fanden, und diverse Vogelarten, wo sie zugegüllt gebrütet haben.