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In meiner Badewanne bin ich Regis­seu­r

Für ihren Abschluss-Film „Bathtub Adventure“ leuchten vier Studierende des Hamburger SAE-Institutes um Nachwuchs-Regisseur Maximilian Haan die Untiefen einer Badewanne aus. Mit einer Crowdfunding-Kampagne werben sie Gelder ein, um die Expedition zum Stöpsel des Todes zu finanzieren

Gedreht wird mit alten russischen Kamera-Optiken, um einen Vintage-Look zu erzeugen Foto: Lennard Scheller

Von Wilfried Hippen

Ohne Corona wäre der Regisseur Maximilian Haan wohl nie auf die Idee für seinen Kurzfilm „Bathtub Adventure“ gekommen. Weil er nichts Besseres zu tun hatte, gewöhnte er sich tägliche und lange Sitzungen in seiner Badewanne an. Er wohnt in einem hellhörigen Altbau und merkte, dass er die Geräusche aus der Wohnung unter ihm noch viel besser hören konnte, wenn er in sein Badewasser eintauchte.

Er begann dann in der Muße seines Schaumbades darüber zu fantasieren, was da unten wohl vor sich gehen könnte. Dass da tatsächlich nur ein etwas schwerhöriges Rentnerpaar den Fernseher etwas lauter gedreht hatte, war ihm aber zu banal. Und so dachte er sich eine spannendes Abenteuergeschichte aus, die ein neugieriger Badender erlebt, der den Geräuschen aus der Wohnung unter ihm auf den Grund gehen will.

Maximilian Haan studiert am Hamburger SAE-Institute: Die School of Audio Engineering ist eine in den 1970ern gegründete Kette von Privatuniversitäten, die kostenpflichtige Studiengänge für audiovisuelle Medien anbietet. Sie hat weltweit 47 Standorte, allein 9 davon in Deutschland, darunter Hannover und Hamburg. Auch dort war 2020 für viele Stu­dierende ein verlorenes Jahr.

Aber Haans Jahrgang hatte Glück, denn der praktische Teil seiner Ausbildung war vor dem Beginn der Coronakrise schon abgeschlossen. Die Theorie konnte mehr schlecht als recht online über Videokonferenzen vermittelt werden, sodass Haan und einige seiner Kom­mi­li­to­n*in­nen in diesem Jahr gemeinsam ihren Abschlussfilm machen können. So fand sich ein Team für das Projekt zusammen, das neben Haan aus der Projektleiterin Elif Esen, dem Produzenten Aaron Omidi und Lennard Scheller hinter der Kamera besteht. Die vier hoffen, mit dem Film ihren Bachelor-abschluss zu bekommen.

„Bathtub Adventure“ soll ein 15 Minuten langer Kurzfilm werden: Unterhaltungskino, aber kein Trash. Maximilian Haan will die Trennung zwischen Genre- und Arthousefilm nicht gelten lassen. David Lynch und der Regisseur von „Shining“, Stanley Kubrick, scheinen da seine Vorbilder zu sein. Deshalb haben die vier „Bathtub Adventure“ als eine Produktion konzipiert, die den Rahmen eines Abschlussfilms beim SAE-Institute sprengt. Denn der Film soll im Industriestandard hergestellt werden, also so aussehen, als wäre er mit viel Geld von einem Studio produziert worden. Die vier hoffen dann wie wohl alle Film­stu­den­t*in­nen bei ihren Abschlussfilmen, auf internationalen Festivals Furore zu machen.

Lennard Scheller wird mit alten russischen Kameraoptiken drehen, um, wie er selber sagt, einen „sehr schönen Vintage-Look“ zu erzeugen. Die Dreharbeiten sind im Juli geplant, und als Location haben sie ein alleinstehendes Haus in Rheinland-Pfalz gefunden, in dem sie dann sechs Tage lang ungestört arbeiten können.

Es gibt nur zwei Darsteller, die beide bereits gecastet sind. Wie oft bei Abschlussfilmen sind dies professionelle Theaterschauspieler*innen, die ohne Gage arbeiten, weil sie die jungen Filmtalente unterstützen wollen und diese Arbeiten als Visitenkarten in ihren Portfolios nutzen können. Aber teurer wird es trotzdem: die Fahrt- und Transportkosten werden durch den weit entfernten Drehort höher.

Er begann in der Muße seines warmen Wannen-Schaumbades darüber zu fantasieren, was da untenwohl vorsich gehen könnte

Das Gleiche gilt für die Verpflegung von Cast und Crew und in diesen Zeiten sind die Kosten von Dreharbeiten auch dadurch gestiegen, dass die Hygienebestimmungen strengstens eingehalten werden müssen und viele Coronatests nötig sein werden. Außerdem will Scheller mit einer aufwendigen Lichtdramaturgie arbeiten, für die er zusätzliches Equipment benötigt.

Scheller und Haan hatten schon bei dessen erstem Kurzfilm „Das Porträt meines Vaters“ zusammengearbeitet, den sie durch Crowdfunding finanziert haben, und da sie damit gute Erfahrungen gemacht haben, wollen sie nun so auch Geld für „Bathtub Adventure“ aufbringen. Seit dem 13. Mai läuft ihre Kampagne auf der Plattform „startnext.com“, und dort ist auch ein kleiner Trailer von ihnen zu sehen, der professionell und originell produziert ist – also nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch gute Werbung für das Projekt macht. Maximilian Haan erzählt da den Plot der Geschichte in seiner Badewanne liegend. Ein Kernsatz im Drehbuch wurde in einer kurzen Sequenz animiert und auf sogenannten Mood-Boards werden Bilder aus anderen Filmen gezeigt, die mit ihren bedrohlich dunklen Stimmungen als Vorbilder dienen.

Wer genau hinsieht, kann da ein Filmstill mit John Travolta entdecken. Manchmal wirkt die Präsentation etwas bemüht, wenn druckreif aus einer Projektbeschreibung zitiert wird. So referiert Aaron Omidi: „Insbesondere eignet sich der Film für die Generation Y, da er Fragen behandelt wie das Hinterfragen eigener Realitäten, das Ausbrechen aus monotonen und aufgesetzten Arbeitswelten und die Sehnsucht, sich auf ein Abenteuer zu begeben.“ Aber da hier in zwei Minuten Interesse für das Projekt geweckt werden soll, sind solche Verkaufsmonologe wohl kaum zu vermeiden.

Bis jetzt sind ein paar Hundert Euro auf das Crowdfunding-Konto eingezahlt worden, aber bei solch einer Low-Budget-Produktion wird ja auch eher in Hundertern als in Tausendern gerechnet. Die Präsentation des Projekts macht auf jeden Fall neugierig, und wenn „Bathtube Adventure“ dann Ende 2021 fertig sein wird, wird er wohl auch auf dem Hamburger Kurzfilmfestival 2022 gezeigt werden.

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