Kleckse auf Vorzeigeprojekt

STADTENTWICKLUNG Mit Farbe und Flugblättern wehren sich Aktivisten gegen die Gentrifizierung von Wilhelmsburg durch Bau- und Gartenausstellung 2013

„Wir wollen unseren Widerstand gegen die IBA / IGS zum Ausdruck bringen“

Gruppe „All Colours“

Der Countdown läuft: Ende April 2013 öffnet die Internationale Gartenschau (IGS) ihre Pforten für die von manchen erwarteten 2,5 Millionen Besucher. Im Stadtteil Wilhelmsburg sieht es bisher kaum nach Gartenschauidylle aus, das 100 Hektar große Areal ist derzeit noch eine Baustelle. Auch die Zufahrtsmöglichkeiten per Land und per Wasser sind noch nicht fertig.

Trotzdem luden Hamburgs Hafenbehörde HPA und die IGS gestern zur Barkassenfahrt: Die Route vom Rathaus zum Wilhelmsburger Bügerhaus soll 2013 eines der Highlights für Ausstellungsbesucher werden. In der neuen Ernst-August-Schleuse dauert das Schleusen nur noch etwa eine Viertelstunde.

Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) war gestern wegen wichtiger Termine in Berlin nicht an Bord, vertreten wurde sie von Bernd Egert, Staatsrat der Wirtschaftsbehörde. Mit der Barkasse zur Internationalen Gartenschau zu fahren, sagte der, sei eine zusätzliche Attraktion, die Gäste wie Hamburger gleichermaßen begeistern werde.

Gestört wurde die Präsentation kurzzeitig durch die „AG Schiffe versenken Wilhelmsburg“: Mit Paddelbooten und Schwimmern versuchten Aktivisten am Ernst-August-Kanal, die Barkasse anzuhalten. In einem Flugblatt wendet sich die AG gegen die Gentrifizierung des Stadtteils und die Zerstörung der Natur.

Rund 30 Demonstranten unterstützten die Paddler und Schwimmer vom Land aus. Einer von ihnen ist Jörg von Prondzinski. „Es wurden über 6.000 Baume aus Altbestand für die IGS gefällt“, sagt der Biologe. „Grünflächen werden zubetoniert und zwingende bodenrechtliche Vorgaben nicht eingehalten, weil denen die Zeit davonläuft.“

Schon in der Nacht zum Mittwoch hatte eine Gruppe namens „All Colours“ einen Farbbeutelanschlag auf das Dock der Internationalen Bauausstellung (IBA) verübt. Man wolle mit der „Kunstaktion“, heißt es in einer gestern verschickten Bekenner-E-Mail, „unseren Widerstand gegen die IBA / IGS und die Stadtentwicklungspolitik des Hamburger Senats zum Ausdruck bringen“.

Internationale Bauausstellungen sind in Deutschland seit 1901 ein Instrument der Stadt- und Regionalplanung. Es geht darum zu erforschen, wie die Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten leben, arbeiten und wohnen wird. Mit dem vom Senat 2004 initiierten Projekt „Sprung über die Elbe“ und dem Impulsgeber IBA soll das sozial schwache Wilhelmsburg vorankommen.

Bis 2013 sind dort, auf der Veddel und im Harburger Binnenhafen rund 60 zukunftsweisende Bauprojekte geplant. Senatorin Blankau ist überzeugt, dass die Projekte Modellcharakter für andere deutsche und europäische Städte haben werden.  ALW/SMV