KOMISCHE OPER
: Die Hand des Bären

Da erschien der Pandabär, der Opfer der BVG geworden war

Ein Freund von mir wollte sich in der Komischen Oper zusammen mit seiner Mutter die Opéra comique „Das bronzene Pferd“ von einem französischen Komponisten aus dem 19. Jahrhundert ansehen. Doch deren Lebensgefährte musste sich einer Sache unterziehen, die nur nach Oper klingt: einer Operation. Weil man einem geschenkten Gaul, erst Recht bei einer Oper über ein Pferd, nicht ins Maul schaut, ging ich gerne mit. Das Stück handelt von einem Dorf in China, wo immer mal wieder ein bronzenes Pferd auftaucht, das sich, sobald ein Mann es besteigt, mit rasender Geschwindigkeit hoch in die Wolken erhebt.

Der Abend fing gut an – mit Gratissekt im Foyer. Wir nahmen Platz und warteten. Minutenlang betrachteten wir einen einsamen Pandabären, der leicht apathisch hinter zwei Bambuszweigen auf der Bühne lag. Dann erschien ein Mitarbeiter der Oper und informierte das Publikum, dass der Bauernjunge erkrankt sei, sein Sprechtext werde von einem Schauspieler und sein Gesang von einem Sänger übernommen. Der Freund, im Unterschied zu mir ein Opernliebhaber und -kenner, schnaufte genervt. Kaum war der „Informant“ verschwunden, tauchte er noch einmal auf. Wir erfuhren, dass die Oper noch nicht beginnen könne, weil der zweite Pandabär in der U-Bahn stecken geblieben sei. „Ohne den zweiten Pandabären geht es nicht.“ Ich bekam eine Vorstellung davon, was eine komische Oper ist.

Nach einer guten Viertelstunde erschien der Pandabär, der Opfer der BVG geworden war, und wurde mit Applaus begrüßt. Im Unterschied zu seinem Artgenossen trug er keine Pandapfoten-Handschuhe, sondern knabberte mit menschlichen Fingern an einem Bambuszweig. Entweder hatte er keine Zeit mehr gehabt oder er hatte das Requisit in der U-Bahn vergessen. Im letzten Akt sah er dann auch an den Händen wie ein Pandabär aus.

BARBARA BOLLWAHN