Der Charité steht ein heißer Sommer bevor

Ärzte schließen einen Streik für bessere Arbeitsbedingungen und gegen Gehaltseinbußen nicht aus. Hintergrund sind Sparmaßnahmen an der Charité. Im Tarifstreit spricht die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di aber von einem verbesserten Angebot des Vorstands. Grüne gegen „Gemischtwarenladen“

von RICHARD ROTHER

Der Charité steht ein heißer Sommer bevor. Hinter vorgehaltener Hand drohen Ärzte mittlerweile sogar, Anfang August zu streiken. Hintergrund sind die gestiegene Arbeitsbelastung der Mediziner und die geplanten Sparmaßnahmen des Klinikums, das mit rund 15.000 Mitarbeitern noch zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt ist. Manfred Husmann, Landesgeschäftsführer der Ärztevereinigung „Marburger Bund“, schloss gestern Arbeitskampfmaßnahmen nicht aus. Zunächst wolle er aber ein Gespräch abwarten, das er heute mit dem Charité-Vorstand führe, so Husmann.

Vorstand und Gewerkschaften führen derzeit Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag – seit 2003 befindet sich die Charité in einem tariflosen Zustand. In der vergangenen Woche habe der Vorstand ein deutlich verbessertes Angebot vorgelegt, sagte gestern Ver.di-Gesundheitsexpertin Heike Spieß. Der Frust der Ärzte sei berechtigt, allerdings sehe sie im Moment wenig Grund aufzumuskeln. Streikvorbereitungen seien ihr nicht bekannt.

Schwer vorstellbar scheint, dass jede Berufsgruppe – Ärzte, Pflegepersonal, Verwaltungsangestellte – für sich kämpft, obwohl es unter Ärzten die Einstellung gibt, sie seien die wahren Leistungsträger in den Hospitälern. Zudem sind die Arbeitsmarktchancen von Ärzten zurzeit besser als in anderen Berufen, wenn auch nicht gerade in Berlin. In Brandenburg jedoch werden Ärzte zum Teil händeringend gesucht.

In einem gestern veröffentlichten offenen Brief kritisieren 680 Ärzte der Charité, dass dem Unternehmen „Sparmaßnahmen auferlegt wurden, die Berlin als Wissenschaftsstandort akut und auf lange Sicht gefährden“. Allein aufgrund der Senatsentscheidung, den Landeszuschuss für Forschung und Lehre eines Uniklinikums zu streichen, müsse die Charité 98 Millionen Euro einsparen. Weitere gesundheitspolitische Vorgaben steigerten die Sparvorgaben auf geschätzte 232 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren. „Das Anwerben und Halten von hochqualifizierten Mitarbeitern erfordert angemessene Einkommens- und Arbeitsbedingungen“, fordern die Mediziner. Sie seien nicht länger bereit, „wachsende strukturelle Defizite auf Kosten unserer Gesundheit, unserer Arbeitsbedingungen und unseres Einkommens hinzunehmen“.

Der Haushaltsexperte der Grünen, Oliver Schruoffeneger, zeigte gestern Verständnis für die Ärzte der Charité. „Der Betrieb ist faktisch nur durch Selbstausbeutung der MitarbeiterInnen aufrechtzuerhalten.“ Allerdings könne die Charité in ihrer jetzigen Struktur nicht wirtschaftlich betrieben werden. Sie müsse sich auf ihre Aufgabe als Uni-Klinik konzentrieren, also die Versorgung in der Hochleistungsmedizin abdecken und sich aus der Grundversorgung zurückziehen. Letztere müsse von Vivantes übernommen werden. Auch müssten Außenstandorte geschlossen werden. „Der Betrieb eines gesundheitlichen Gemischtwarenladens, wo man an jedem Standort alles erhalten kann, kann nicht wirtschaftlich funktionieren.“