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Die WahrheitAbweichende Nüchternheit

Gendern ist auch im englischsprachigen Raum nicht einfach und das korrekte Bestellen traditioneller Gerichte wie „Bacon and Eggs“ erst recht nicht.

W er in einem englischsprachigen Land lebt, hat es gut. Dort ist es leichter, gegendert zu sprechen. Ein Schauspieler zum Beispiel ist ein „actor“, und eine Schauspielerin ist es auch. Das Wort „actress“ ist abgeschafft worden, und zwar auf Wunsch der Schauspielerinnen.

Bei vielen Filmpreisen gibt es nur noch eine Kategorie für beide Geschlechter. So hätte man 1992 den Spoiler bei Neil Jordans Film „The Crying Game“ vermeiden können. Bei den Oscars wurde Jaye Davidson nämlich in der Kategorie „bester Nebendarsteller“ nominiert, wodurch die entscheidende Wendung des Films verraten wurde, dass die Frau, in die sich die männliche Hauptfigur verliebt, einen Penis hat.

Im Deutschen hingegen muss man mit Fußballspie-ler:innenberater:innen und Minister:innenpräsiden­t:in-­nen leben. Die Partizipkon­struk­tion ist kaum besser: Beratende von Fußballspielenden?

Bei der politisch korrekten Sprache gibt es viele Fallstricke. Neulich wurde die Grünen-Politikerin Bettina Jarasch abgewatscht, weil sie erzählt hatte, dass sie als Kind „Indianerhäuptling“ werden wollte. Da haben ihre Eltern bei der Erziehung offenbar kläglich versagt. Nach ihrer Selbstkasteiung – Jarasch sprach von „unreflektierten Kindheitserinnerungen“ – schnitten die Grünen das böse Wort aus dem Parteitagsvideo.

Überlegen bevor man den Mund aufmacht

Wehe dem, der in der Kindheit „Cowboys und Indianer“ gespielt hat. Was ist mit den männlichen Rindern und den Mädchen? Korrekt müsste das Spiel „Bovine Menschen und Mitglieder der indigenen Bevölkerung“ heißen.

Bei genauerer Betrachtung ist es vielleicht doch nicht so vorteilhaft, in einem englischsprachigen Land zu leben. Denn auch hier muss man genau überlegen, bevor man den Mund aufmacht, und das hat nichts mit Grammatik zu tun. Grammatik sei ohnehin nur eine „ethnozentrische weiße patriarchale Umstrukturierung der Sprache“, erklärt die kanadische feministische Schriftstellerin Betsy Warland.

Ich habe mir vorsichtshalber „The Official Politically Correct Dictionary & Handbook“ von Henry Beard und Christopher Cerf besorgt. Deshalb weiß ich, dass ein Alkoholiker eine „Person mit abweichender Nüchternheit“ ist. Ein Glatzkopf wie ich ist „follikular herausgefordert“, ein:e Au­to­wä­sche­r:in ist ein:e „Spezialist:in für das äußerliche Erscheinungsbild von Fahrzeugen“, und ungeschickte Menschen sind „einzigartig koordiniert“. Obdachlose sind „unfreiwillig nicht wohnhafte Personen“, und ein:e Milchmann/frau ist ein Lieferant gestohlener Tierprodukte.

Wer zum Frühstück im Londoner Animal Rights Café das traditionelle „Bacon and Eggs“ bestellen will, sollte das keinesfalls leichtfertig tun. Korrekt müsste es heißen: „Einmal Fleischfetzen vom geschlachteten Kadaver eines grausam ausgebeuteten Nichtmenschen der Schweinefamilie mit zwei Tierprodukten, die dem Geflügel gestohlen wurden, bitte.“ Guten Appetit.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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3 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn schon Bacon and Eggs, dann bitte mit extra viel Spam.



    Aber jetzt mal ernsthaft:



    Ich freunde mich immer mehr damit an, künftig parallel zur "Arbeiterin" einen "Arbeiterich" in meinen Sprachgebrauch einzuführen. Dann lässt sich "Arbeiter" in einer Weise verwenden, die Geschlecht nicht repräsentiert. Für den Fall, dass explizit eine Pluralität von Geschlechtern repräsentiert werden soll, bleibt dann immer noch "Arbeiter:in" oder ähnliches.



    Es sollte doch sprachlich die Möglichkeiten geben, Geschlecht zu repräsentieren oder auch nicht. Die Alternativlosigkeit der Repräsentation schränkt das Sagbare ein, aber anders, als das Befürworter (bei diesem Wort sei Geschlecht nicht repräsentiert) des generischen Maskulinums meinen. Denn schließlich repräsentiert das generische Maskulinum Männer und gleichzeitig soll es Geschlecht nicht repräsentieren. Das macht auch so einiges unsagbar, wie z.B.:



    Wer einen Wüter notgedrungen für einen Wüterich hält, kennt wohl keine Wüterin.

  • Juti!

    Meine vertikal, benachteiligte Kindperson..



    "Der Erlkönig" genderneutral



    www.youtube.com/watch?v=4ZT4pUe2k3o

    In Goeth*is Namen, die klassische Ballade ist tot.

  • Der erste unwitzige Kommentar von Ralf Sotschek, seit ich die taz lese. Aber er fand wohl, daß mal gesagt werden mußte, was er da schreibt. Diese Freiheit sei ihm gern gegönnt.