HAMBURGER SZENE VON ROGER REPPLINGER
: Karnickel sitzen

Die können schön sitzen. Welches Tier kann das schon? Karnickel. Sitzen im Stadtpark, kurz nach sieben, auf ihrem weißen Bürzel, mit einem runden Rücken, und mümmeln. Schnauft der dicke Jogger näher, sausen sie weg, manchmal den Weg runter, vor dem Jogger her, manchmal biegen sie ab ins Unterholz. Kleine und große Karnickel. Zuzugucken, wie die wetzen, macht Spaß.

Wenn wir bei meinem Onkel zu Besuch waren, wurde uns Kindern erzählt, die Stallhasen, die wir gestern noch knuddelten, seien weggelaufen. Zwei Tage später: Hasenbraten. Die Kinder kotzten. Der Verdacht kommt auf, dass Erwachsene lügen. Krise. Heulen im Bett, über verschwundene Hasen und Lügen. Schwer zu sagen, was schlimmer war.

Die Karnickel im Stadtpark frisst kein Mensch. Zwischen der Straße Jahnring und der Joggingstrecke ist ein schmales Rasenstück. Da muss das Grünzeug besonders saftig sein. Manchmal merkt man erst, wenn der Erdhaufen wegrennt, dass es kein Erdhaufen ist, sondern ein Karnickel. Die Schlauen bleiben am Wegrand sitzen, ziehen den Kopf ein, und setzen darauf, dass es ist wie gestern und vorgestern.

Der Dicke rennt vorbei, es passiert nix. Zwischen sechs und sieben sitzen die Karnickel vor der Heinrich-Hertz-Schule. In der Nähe der Krähen und Raben. Bis die ersten Schüler kommen.