Versicherung ohne Gegenleistung

NEUE ANALYSE In Bremen beziehen nur 18 Prozent der Erwerbslosen Leistungen aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung. Der Rest bekommt Hartz IV. Die Arbeitnehmerkammer fordert Reformen

Der größte Teil der Pflichtbeiträge landet nicht dort, wo er sollte: bei den Arbeitslosen

Die Bremer Arbeitnehmerkammer hat am gestrigen Donnerstag eine knapp 45 Seiten umfassende Analyse vorgestellt, aus der hervorgeht, dass der größte Teil der Pflichtbeiträge in die Arbeitslosenversicherung nicht dort landet, wo er sollte, nämlich bei den Arbeitslosen: Bundesweit bezogen im Oktober 2011 nur 28 Prozent der Erwerbslosen Geld aus dem Versicherungssystem, in Hamburg waren es 21, in Bremen sogar nur 18 Prozent.

„Das liegt vor allem an den stark angestiegenen prekären Arbeitsverhältnissen“, sagt Peer Rosenthal, Referent bei der Arbeitnehmerkammer. Um Arbeitslosengeld aus Versicherungsleistungen zu erhalten, müsse man rund 1.350 Euro brutto verdienen. Verdient man weniger, und das ist vor allem in der Leiharbeitsbranche und im Gastgewerbe der Fall, muss das sogenannte „Arbeitslosengeld Eins“ (ALG I) durch Hartz-IV-Leistungen aufgestockt werden.

Dadurch verändert sich der Status des Erwerbslosen: Während die Arbeitsagentur das Qualifikationsniveau eines ALG-I-Empfängers berücksichtigt und die Möglichkeit von Weiterbildungen bietet, werden „Aufstocker“ durch die Jobcenter betreut. „Sie sind dann, genauso wie Langzeitarbeitslose, Teil des Fürsorgesystems, in dem ihnen jeder Job zugemutet und ihr Vermögen angerechnet werden darf“, sagt Ingo Schierenbeck, Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Gleiches gelte für qualifizierte Arbeitnehmer, die die erforderlichen zwölf Monate Beschäftigungsdauer nicht erfüllt hätten. „Diese Zeitspanne muss auf sechs Monate reduziert werden.“ Er fordert noch mehr: „Der Betrachtungszeitraum, in dem der Arbeitnehmer gearbeitet haben muss, muss auf drei Jahre erhöht und die maximale Dauer des ALG-I-Bezuges verdoppelt werden.“

Finanzierbar sei das durch eine Erhöhung des Versicherungsbeitrages von drei auf 3,2 Prozent. „Nicht nur die Erwerbslosen, auch die Kommunen, die ja einen großen Teil der Hartz-IV-Bezüge zahlen müssen, würden dadurch enorm entlastet“, sagt Schierenbeck. Er weiß, dass auf Länderebene wenig getan werden kann, „aber wir werden unsere Forderungen direkt nach Berlin weiterleiten und die Bremer Landesregierung auffordern, das Gleiche zu tun“. SCHN