Italien verschärft den Aktionismus

Rom will mehr Freiheiten beim Kampf gegen Terror. Zu „Präventivzwecken“ werden hunderte festgenommen

Italien sieht sich ziemlich weit oben auf der Zielliste des islamistischen Terrors

ROM taz ■ Über 200 Durchsuchungen von Mailand runter bis nach Messina, 423 kontrollierte Personen, 174 vorläufige Festnahmen „zur weiteren Überprüfung“: Am Mittwoch schlugen Polizei und Carabinieri in Italien landesweit gegen terrorverdächtige Islamisten zu. Es war schon die zweite Großaktion nach den Anschlägen von London, am Wochenende waren im Großraum Mailand 142 Personen festgenommen worden.

Doch so eindrucksvoll die Zahlen klingen: Sie stehen nicht für wirkliche Fahndungserfolge. So waren in Mailand bei flächendeckenden Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen vor allem Kleinkriminelle und Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen worden, die mit Islamismus gar nichts am Hut haben. Und auch wenn die zweite landesweite Razzia dagegen gezielt Islamisten ins Fadenkreuz nahm, arbeitete die Polizei bloß alte Listen von Leuten ab, die schon seit Jahren unter Beobachtung stehen. Legitimiert wurden die Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung mit der Suche nach Waffen und Sprengstoff, doch nirgends wurde brisantes Material gefunden; die Ausbeute beschränkte sich auf „Dokumente, die den radikalen Islam verherrlichen“. Zu Haftbefehlen oder Ausweisungen kam es auch nicht.

So überrascht es nicht, dass das Innenministerium selbst von einer „präventiven Aktion“ sprach – einer Aktion, die einerseits den Islamisten klarmachen soll, dass die Fahnder ihnen im Nacken sitzen, die andererseits der Öffentlichkeit signalisieren soll, dass die islamistische Szene streng überwacht wird. Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu will in den nächsten Tagen ein konkretes Maßnahmenpaket vorlegen, um den Kampf gegen den Terrorismus effektiver zu gestalten. Italien, das in Afghanistan ebenso wie im Irak engagiert ist, sieht sich selbst ziemlich weit oben auf der Zielliste des islamistischen Terrors angesiedelt. Neben einer erneuten Erleichterung von Ausweisungen – der Innenminister soll in Zukunft auch einen richterlichen Einspruch übergehen können – ist daran gedacht, die aus dem Kampf gegen die Mafia bekannte Kronzeugenregelungen einzusetzen und Aussagewillige auch mit der Zusicherung einer Aufenthaltserlaubnis zu locken. MICHAEL BRAUN