Stellvertretende Maßnahmen

Die Demokratie als Problemfeld: Die Gruppenausstellung „Demokratie heute – Probleme der Repräsentation“ im Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst

Die Geschichte im Barbetrieb: Claus Föttingers Installation „veldt & ocean reloaded“ in der „­Demokratie heute“-Schau Foto: Jens Ziehe, 2021

Von Tom Mustroph

Demokratie gerät in die Krise. Immer breiter und tiefer wird der Spalt, der sich zwischen den Prinzipien der Demokratie und den Sonntagsreden westlicher Politiker einerseits und der Realität in den von ihnen repräsentierten Ländern auftut. Immer hohler und verlogener droht daher auch der Anspruch zu werden, demokratische Prinzipien global umzusetzen. Immer leichter fällt es jenen, die in den Gräben zwischen Anspruch und Wirklichkeit wühlen, auch noch das demokratische Ideal lächerlich zu machen.

In diese Krisensituation versucht die von Raimar Stange kuratierte Gruppenausstellung „Demokratie heute – Probleme der Repräsentation“ einzugreifen. Im Entree der ersten Etage des Maschinenhauses M1 der einstigen Kindl Brauerei in Neukölln rückt zunächst das Fahnenprojekt des französischen Filmemachers und Konzeptkünstlers Pierre Bismuth so unterschiedliche Staaten wie Frankreich und Kongo oder Schweiz und Syrien zueinander. Farben und Symbole verschmelzen miteinander, fügen sich zu neuen Mustern. Bismuths multinationale Fahnen sind ein Versuch, Globalisierung und Migration mit den alten Symbolen der Nationalstaaten sichtbar zu machen. Natürlich misslingt auch dies, migratorische und politische Wechselwirkungen gibt es zwischen mehr als nur jeweils zwei Staaten.

Auf das Konzept der Versammlung bezieht sich die raumgreifende Installation von Claus Föttinger. Der Düsseldorfer Künstler baut aus bienenwabenartigen Elementen eine Bar auf. Die wirkt schon als solche wie ein Gruß aus fernen, präpandemischen Zeiten. Die Elemente bestückt er mit Fotos von Po­li­ti­ke­r*in­nen und Künst­le­r*in­nen sowie ikonischen Events seit den 1960er Jahren. Kaleidoskopartig zieht Geschichte vorbei, mit Helmut Schmidt, Egon Krenz, Rainer Werner Fassbinder und anderen. Die Bar bleibt leer, Versammlung findet bestenfalls in der Imagination statt.

Für eine Neubelebung demokratischer Repräsentionsformen initiierte die Selbstverwaltung des Autonomiegebiets Rojava in Syrien vor sechs Jahren gemeinsam mit dem Künstler Jonas Staal ein neues Parlamentsgebäude für Bewegungen von Staatenlosen und Unabhängigkeitsbewegungen. Fotos dokumentieren die Errichtung des Kuppelbaus sowie alternative Gipfeltreffen, die dort stattfanden.

Das Projekt ist bereits ein Hinweis darauf, dass Kurator Raimar Stange das Feld der zeitgenössischen Kunst für diese Themenausstellung für zu begrenzt hält. Repräsentation kann in vielen Formen erfolgen. In die Ausstellung sind daher auch Arbeiten integriert, die im Rahmen von Workshops im Geflüchtetencamp Moria in den letzten Jahren entstanden. Die Teil­neh­me­r*in­nen setzten sich zum Teil mit eigenen Fluchterfahrungen auseinander. Boote, das Meer und im Wasser verlorene Menschen sind wiederkehrende Motive. Eindrucksvoll ist ein Bild, das graue menschliche Silhouetten zeigt, die im Wasser schweben. Unter ihnen befinden sich riesige Fische, die bereits gierig die Mäuler aufreißen. Über ihnen – und über der Wasseroberfläche – kreisen weiße Vögel, die auch an Friedenstauben erinnern und die sich auf die Menschen im Wasser zubewegen. Ungewiss bleibt jedoch, ob sie ihnen zur Hilfe kommen oder in ihnen ebenfalls Beute sehen.

Repräsentation kann in vielen

Formen erfolgen

Aus seiner eigenen Sammlung steuert Stange ebenfalls Objekte und Arbeiten bei, als Versammlung in der Versammlung gewissermaßen. Ein Obama-Button von der Porträtmalerin Elizabeth Peyton ist darunter und eine von Peter Friedl schnell auf Papier geworfene Skizze eines Familienporträts von Stalin. Eine ausgerollte Rolle Klopapier mit verschiedensten Papiertypen weist auf Konsumvielfalt und temporäre Mangelsituationen hin.

In einer Videoarbeit dokumentiert Julia Lazarus, wie die AfD den Bundestag zur Bühne für Hass und intellektuelle Regression nutzt. Als Hoffnungszeichen darf man dagegen die Protestsymbole der Demokratiebewegung in Belarus deuten, die Marina Naprushkina in ihren Wandarbeiten integriert.

Die Ausstellung mit vielfältigen Perspektiven führt unterschiedlichste Positionen zueinander. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass sie über die eigene Crowd hinaus, das eher linksliberalalternative und kunstaffine Publikum, Beachtung findet. Diese Debatte über die Repräsentation bleibt auf einen eher winzigen Ausschnitt der Gesellschaft beschränkt. Das ist meistens so. Bei einem so umfassenden Thema fällt dies aber als Paradox besonders ins Auge.

„Demokratie heute – Probleme der Repräsentation“: Kindl, Am Sudhaus 3. Bis 4. Juli, Mi.–So. (und Ostermontag) 12–18 Uhr. Die Ausstellung ist gemäß den jeweils geltenden Pandemie­regeln per Buchung eines Zeitfensters zugänglich.