„Ich bin kein positives Beispiel“

Der neue Frauen- und Integrationsminister Armin Laschet setzt auf freiwillige Frauenförderung. Unternehmen könne er keine Vorschriften machen. Gegen Moscheen und Lehramtsanwärterinnen mit Kopftuch will er härter vorgehen

INTERVIEW: ANNIKA JOERES
UND NATALIE WIESMANN

taz: Warum sind Sie Frauenminister geworden?

Armin Laschet: Ich weiß auch nicht. Da müssen Sie Herrn Rüttgers fragen.

Glauben Sie als Mann die Frauen vertreten zu können?

Es gibt im Kabinett keine klassische Rollenverteilung. Wir haben drei sehr kompetente Frauen in Ministerien mit so genannten harten Themen wie Wirtschaft und Justiz. Gleichstellung ist nicht nur Frauensache. Die Frauenpolitik geht nicht verloren, nur weil ein Mann sie macht.

Was gewinnt sie denn?

Vielleicht hört mancher jetzt eher zu, wenn es nicht die klassischen Rollen sind. Es geht eben nicht um „Gedöns“, wie der Bundeskanzler glaubt.

Auch Berlin hat einen männliche Frauensenator, der zudem das Ressort Wirtschaft betreut. In ihrem Konzept gehört die Frau wieder zur Familie.

Das ist keine Klischeezuweisung. Alle meine Themen haben unmittelbar mit Menschen zu tun. Auch Männer müssen sich an der Gleichberechtigung beteiligen.

Was fordern Sie von den Männern?

Frauen werden am Arbeitsplatz immer noch zu häufig schlechter gestellt, werden still diskriminiert. Daran sind auch Männer beteiligt. Leider bin ich auch kein positives Beispiel: Meine Frau trägt zu Hause die Hauptlast.

Was können Sie tun, damit Erziehung zur Sache von Mann und Frau wird?

Männer können auch gesetzlich eine Erziehungspause einlegen. Das ist heute doch kein Problem mehr.

Offensichtlich doch – weniger als drei Prozent der Männer nehmen sich diese berufliche Auszeit. In anderen Ländern sind es 30 Prozent.

Da können wir leider nichts machen. Wir können das nur anbieten. Wir müssen ein anderes Bewusstsein schaffen.

Wie denn?

Durch Reden und Werben.

Wollen sie eine Werbekampagne starten?

Nein, alles was zusätzliches Geld kostet, können wir nicht machen. Aber in Gesprächen muss dieses wichtige Thema erörtert werden.

Ihre eigene Partei zeigt eindrucksvoll, dass Gespräche den Frauen wenig bringen: Nur elf Prozent der CDU-Abgeordneten im Landtag sind weiblich.

Das ist bedauerlich. Frauen sind sehr unterrepräsentiert, weil wir so viele Direktmandate gewonnen haben. Dadurch zog unsere Liste nicht, auf der wir ein Quorum von 30 Prozent Frauenanteil vereinbart haben. Aber was sollen wir machen? Auf die Kandidatenaufstellung bei den Kreisverbänden haben wir keinen Einfluss. Das ist Demokratie. Das war großes Pech.

Dann können die CDU-Frauen beim nächsten Mal wieder Pech haben und nur fünf Prozent der Abgeordneten stellen.

Das glaube ich nicht. Wir versuchen ja, gegen den Willen der SPD, bei der nächsten Landtagswahl die Erst- und Zweitstimme einzuführen. Dann zieht auch unser Quorum wieder.

Was halten Sie denn von Frauenquoten in Betrieben? Noch immer gibt es in den Chefetagen kaum Frauen.

Hm. Ich bin da skeptisch bis ablehnend.

In skandinavischen Ländern ist sie schon Realität.

Die strikte Frauenquote ist auch unter Frauen umstritten.

Wie ist denn Ihre Meinung?

Wir können doch den Betrieben keine Vorschriften machen, wen sie einstellen sollen. Sie leiden ja jetzt schon unter zu viel Bürokratie. Die Unternehmen müssen das Potenzial von Frauen erkennen, sie sind heute besser qualifiziert als jemals zuvor.

Im Koalitionsvertrag steht, dass sie die Anlaufstellen für Frauen mit Gewalterfahrungen erhalten wollen. Bleibt es dabei?

Ich hoffe es. Diese Frauen haben ja schon prophylaktisch vor meinem Haus demonstriert, da war ich noch kein Minister. Wir müssen jetzt sehen, wie die Kassenlage ist. In unserem Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, glaube ich, dass wir die Beratungsstellen erhalten wollen. Ideologisch müssen die Hilfsangebote bleiben. Aber ich weiß nicht, ob wir jede Stelle erhalten können.

Wie beim Thema Frauen scheinen sie auch mit dem Ressort Integration Neuland zu betreten.

Das Thema ist kein Neuland, aber als Minister ist vieles neu. In 15 Jahren Kommunalpolitik kommt man an dem Thema Integration nicht vorbei.

Was wollen Sie für die Integration der Migranten in NRW tun?

In NRW leben drei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Das sind zum großen Teil Ausländer, aber auch eingebürgerte Migranten und Aussiedler. Die einen sind dem Gesetz nach Deutsche, die anderen nicht. Für die Integration ist dieser Status uninteressant. Beide Gruppen haben Sprachprobleme. Dazu kommt die Bildung von Ghettos und Parallelgesellschaften. Ich will ein Klima schaffen, in dem Integration gelingt.

Glauben Sie, dass Sie mit dem angekündigten Kopftuchverbot ein gutes Klima schaffen können?

Wir wollen ja nicht das Kopftuchtragen auf der Straße verbieten. Aber wenn Lehrerinnen Kopftuch tragen, halten wir das für integrationsschädlich. Sie geht ja als Beamtin in die Klasse. Das Kopftuch ist kein religiöses Symbol, sondern ein politisches Symbol für eine bestimmte Richtung des Islam.

Bei den muslimischen Lehramtsanwärterinnen hat ihr Vorhaben großen Unmut hervorgerufen.

Das kann sein. Aber das ist keine CDU-Frage, das Thema wird quer durch alle Parteien diskutiert. Das Kopftuch ist von beiden Seiten hochstilisiert worden. Sehen Sie sich die Diskussion in Frankreich an. Selbst in der Türkei gibt es ein Kopftuchverbot, weil das Land ein laizistischer Staat ist.

Aber unser Staat ist nicht konsequent laizistisch. Wir haben Religionsunterricht an der Schule und Kirchensteuern.

Wir sind ein laizistischer Staat mit einem guten Staat-Kirche-Verhältnis zu beiderseitigem Vorteil. Und wir wollen ja auch, dass der Islamunterricht an den deutschen Schulen stattfindet.

Was versprechen Sie sich davon, dass der deutsche Islamunterricht an die Schule kommt und Imame deutsch sprechen?

Die privaten Koranschulen sind ein Problem. Wir wissen nicht, was da tatsächlich gelehrt wird. Es gibt ja Berichte, dass in den Moscheen die absonderlichsten Dinge gepredigt werden. Wenn in Moscheen Hass gepredigt wird, ist das nicht akzeptabel.

Wollen Sie denn Kontrolleure schicken?

Nein, was dort geschieht, ist Privatsache. Deshalb halte ich mehr von der Idee, den Islam als Schulfach zu integrieren.

Ihre Vorgängerregierung wollte das auch, ist aber daran gescheitert, dass ihr ein zentraler Ansprechpartner fehlte. Befürchten Sie das nicht auch?

Man muss ja nicht gleich aufgeben. Sie ist nicht gescheitert, die Zeit war einfach noch nicht reif. Ich kenne muslimische Organisationen, die den Willen haben, mitzuwirken. Ich kann hier aber noch nicht prophezeien, dass wir es in fünf Jahren schaffen. . Übrigens finde ich es sehr hilfreich, dass nach dem Bombenattentat in London Muslime in NRW gegen Gewalt und Terror demonstriert haben. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen.

Diese Demonstrationen verhindern nicht, dass nach solchen Attentaten die anti-islamischen Ressentiments hohe Wellen schlagen – wie nach dem Mord am niederländischen Filmemacher Theo van Gogh.

Wir müssen uns mit denen anlegen, die Vorurteile schüren. Das Eis ist sehr dünn. Die Niederlande galten bisher als Musterbeispiel für ein liberales Einwanderungsland. Nach dem Vorfall brach der Hass dort aus. Ich weiß nicht, was bei uns passieren würde. Das Eis ist sehr dünn.

Was wollen Sie noch für ein besseres Zusammenleben tun?

Den Einwanderern muss klar gemacht werden, dass sie ohne die deutsche Sprache ihre Zukunftschancen vernichten. Jeder, der in die Schule kommt, muss die Sprache beherrschen. Aber auch die deutsche Gesellschaft muss erkennen, dass die Migranten eine Bereicherung für sie sind.

Worin liegt die Bereicherung?

Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft, auf Basis einer Werteordnung – dem Grundgesetz. Es kann nicht sein, dass mit einem Kulturrabatt Frauen unterdrückt werden, Zwangsheirat stattfindet, und und und... Multi-Kulti wurde über Jahre verniedlicht, die Probleme verkannt.

Jetzt sprechen Sie schon wieder über Probleme, worin liegt die Bereicherung?

Gerade in einer globalen Welt ist es gut, über den Tellerrand zu gucken. Viele Kulturen, die zusammen leben, bereichern das Leben und öffnen den Blick auf andere Erfahrungen.

Ist Integration nicht vor allem auch die Integration auf dem Arbeitsmarkt?

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit unter Migranten ist in der Tat ein großes Problem. Das hängt aber wiederum an der Sprache. Alles hängt sehr eng zusammen. Ich finde übrigens, man muss die deutsche und die Muttersprache fördern.

Im Zuge der Ausbürgerungswellen von Türken mit Doppelpass ist über die Doppelstaatigkeit neu diskutiert worden.

Ich halte das nicht für erstrebenswert. Völkerrechtlich ist das nicht gewünscht. Man sollte sich zu einem Staat bekennen.

Warum?

Warum nicht?

Viele Länder handhaben die Vergabe der doppelten Staatsbürgerschaft großzügiger.

Ich finde, man muss sich entscheiden. Die Ausbürgerungen halte ich übrigens für problematisch. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit einmal hat, kann sie eigentlich nicht verlieren. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut.

Und was spricht gegen ein kommunales Wahlrecht für Ausländer?

Die Wahl hängt am deutschen Pass, egal auf welcher Ebene.

Aber das ist bei den EU-Ausländern doch nicht so.

Die haben ja eine Unionsbürgerschaft. Aber wer interessiert sich schon für kommunale Angelegenheiten. Die wichtigen Entscheidungen werden in Berlin getroffen.