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berliner szenenHändchen halten beim Coronatest

Hätte ich das Schild übersehen, hätte ich gedacht, dass die Frau unter dem Sonnenschirm in der Herrfurthstraße Eis verkauft. Die Stimmung in der Schlange, die zu ihr geht, kommt mir jedenfalls vor wie die von Menschen, die gleich ihre Lieblingseissorte bestellen werden. Mit Abstand und Maske unterhalten sie sich fröhlich, wie diejenigen, die wenige Meter davon entfernt auf dem Marktplatz rumhängen. Die Luft ist mild, die Sonne strahlt.

Auf dem Schild steht „Covid-19-Testzentrum“, der Schirm vor der Apotheke und nicht vor der Eisdiele nebenan. Ich war auf dem Weg nach Hause, aber weil ich es sowieso für die Arbeit machen muss, frage ich, ob ich mich unangemeldet testen lassen kann. „Kein Pro­blem!“ Das Personal ist nett, geduldig und gut gelaunt. Als sie meinen Ausweis sehen, geben sie sich Mühe, mit mir in meiner Muttersprache Spanisch zu reden, und lächeln mich einfühlsam an, als ich ihnen erkläre, das sei mein erstes Mal. Auch die Laborantin spricht Spanisch mit mir. „Sí“, antwortet sie, als ich frage, ob das wehtut. Ich gucke ihre flauschigen Wimpern und ihre braunen Augen an. Dafür werde das Ganze nur fünf Sekunden dauern, meint sie. Ich atme auf.

Sie steckt das Stäbchen in meine Nase, und beinahe schreie ich. „Sie müssen sich bitte entspannen“, sagt sie. Diesmal versuche ich ihre Hand zu halten, als das Stäbchen den richtigen Punkt, gefühlt in meiner Hirnschale, trifft, als wäre ich bei meiner Zahnärztin. Da lachen wir: Absurd, während eines Coronatests Händchen zu halten. „In einer halben Stunde sind Sie wie neu“, blinzelt sie mich an. Als ich in der Sonne sitze, ist das Warten auf das Ergebnis bei mir noch keine Routine. Als ich „Negativ“ auf der App lese, bin ich so glücklich, dass ich die Frau vom Testzentrum umarmen möchte. Luciana Ferrando

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