Kollege Zumutung

Amtsgericht verhandelt über Automechaniker, der Kollegin mit sexistischen Sprüchen belästigte. Inzwischen ist er arbeitslos – denn die junge Frau ist die Tochter des Chefs

33 Jahre lang hat man Hans H. gewähren lassen. Pornohefte am Arbeitsplatz – was soll‘s. Anzügliche Bemerkungen über die Figur von Kundinnen – das konnte ja auch manchmal ganz witzig sein. Auch Svenja K. hat lange versucht, einfach nicht hinzuhören, wenn sie sich von ihrem Kollegen morgens mit der Bemerkung begrüßen lassen musste, dass sie wohl „vom Bumsen“ noch müde sei.

Eines Tages aber hat der 56-Jährige sie angefasst, nicht einmal schlimm, er hat sie am Arm berührt. Für die damals 17-Jährige lief damit aber das Fass über. Sie berichtete alles dem Chef des Autohauses Hoheluft, der kündigte seinem Mitarbeiter und ging zur Polizei. Gestern verhandelte das Amtsgericht über Hans H. Er ist wegen Beleidigung und Nötigung angeklagt.

Der Chef hat so rigide durchgegriffen, weil Svenja K. seine Tochter ist. Die Schülerin hat in der Firma der Eltern gejobbt, erst im Lager und Büro, dann in der Werkstatt – dem Terrain von Hans H. „Die Sprache, die er an seinem Arbeitsplatz an den Tag gelegt hat, kannte ich aus keinem anderen Betrieb“, berichtete gestern sein Kollege Rainer L., der kurz vor dem Rauswurf von Hans H. neu in die Firma gekommen war. „Hoch das Röckchen, rein das Stöckchen“, beispielsweise habe zu den Sprüchen gehört, die Svenja K. fast täglich habe hören müssen.

Ihrem Vater hatte sie auf der gemeinsamen Heimfahrt mal erzählt, dass Hans H. „mit seinen Sprüchen nervt“. Der Vater aber hatte nur abgewunken und seiner Tochter empfohlen, einfach auf Durchzug zu stellen. Das hat sie versucht. „Ich wollte nicht mit allem gleich zu Papa rennen“, erklärte sie. „Sonst hätte es wieder geheißen: Klar, die Tochter vom Chef.“

Hans H. behauptete vor Gericht, dass alles ganz anders gewesen sei. Er habe Probleme mit Svenjas Vater gehabt, der habe ihn „schikaniert“. Außerdem habe nicht er die junge Frau provoziert, sondern sie ihn, indem sie kurze Hosen und knappe Oberteile getragen habe. In seiner Aussage berichtete er ausführlich darüber, welches „Mädchen“ aus seinem Umfeld seiner Wahrnehmung nach auf welchen Mann „scharf“ gewesen sei.

Auch Kollege Riad S., der sich selbst als „eine Art Großonkel“ für Svenja beschreibt, hat dem Kollegen nicht Einhalt geboten. Details habe er nicht gewusst, Svenja hätte sich geschämt, ihm von den Sprüchen des Kollegen zu erzählen. Dass der sie belästige, habe sie aber häufiger erwähnt. Er habe ihr deshalb zum Gespräch mit ihrem Vater geraten.

Als der im Juni vorigen Jahres erfuhr, was sich in seiner Werkstatt abspielte, warf er Hans H. umgehend raus. Der klagt parallel zu diesem Verfahren vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung.

Der Prozess wird kommenden Freitag fortgesetzt. Elke Spanner