berliner szenen: Kunst, aber ohne Kampfmittel
Auf der Baustelle zwischen Nationalgalerie und Philharmonie wird gebaggert. Am Zaun zeigen goldglänzende Plakate, was hier entsteht: das Museum der Moderne. Mich muss man nicht überzeugen, ich mag den Entwurf, den viele spöttisch Scheune nennen. Das Wort Scheune klingt gut in meinen Ohren, nach Futter. Ich will die Bilder einer Freundin zeigen, die sich nicht vorstellen kann, wie das Museum hier hineinpassen soll – schade, die Plakate wurden abgehängt.
Was mich beunruhigt, ist das Fahrzeug mit der Aufschrift „Kampfmittelräumung“. Ein Mann mit Helm kommt entschlossen auf mich zu, der Polier, wie sich herausstellt. Er will mich nicht vertreiben, sondern Entwarnung geben. Die kostbaren Nachbarbauten seien nicht gefährdet und die Anwohner auch nicht. Bombenspezialisten kämen immer dazu, wenn solche Bauprojekte anstehen. Mit langarmigen Sonden könnten sie auf Nummer sicher gehen. Man merkt, es ist SEINE Baustelle. Ob sie schon etwas sondiert haben, interessiert mich. Nein, nichts Gefährliches jedenfalls. Ein Arbeiter hat ein altes braunes Apothekerglas gefunden. Ich stelle mir vor, dass in den prächtigen Bürgerhäusern, die hier bis 1938 standen, auch ein Apothekerpaar wohnte. „Ansonsten nur Steine. Die Nazis wollten hier für KdF bauen“, er spricht mit fast geschlossenem Kiefer, als wollte er den Namen der Organisation „Kraft durch Freude“ am liebsten gar nicht in den Mund nehmen. Wenn ich noch mehr Fragen hätte, müsste ich aber erstmal ne Runde Kaffee holen. Ein Radfahrer will im Vorbeifahren wissen, was denn hier geplant sei. Lässig über die Schulter hinweg ruft der Polier „Museum der Moderne“. Bitte was? „Na, moderne Kunst, keine alten Sachen.“ Er klingt stolz dabei, als könnte es auch mal SEIN Museum werden. Dann sind wir ja heute schon zwei.
Claudia Ingenhoven
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