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Alte-Säcke-Hüpfen

Die deutschen Skispringer waren auch heuer wieder erfolgreich. Aber wie lange noch? Das Team überaltert. Ein Gespräch mit Talentscout Martin Schmitt – vor dem Saisonabschluss auf der Flugschanze von Planica

Aus Oberstdorf Klaus-Eckhard Jost

In Planica endet traditionell die Saison der Skispringer. In diesem Jahr wird das Finale sogar aufgewertet, weil drei statt nur zwei Skifliegen auf dem Programm stehen. Sehr zur Freude auch von Markus Eisenbichler. Der 29-jährige Siegsdorfer reist gerne ins Tal der Schanzen, hat er doch vor zwei Jahren dort seinen ersten von mittlerweile drei Weltcup-Erfolgen feiern können.

Am Mittwoch geht es los mit der Qualifikation. Und später dann, am Sonntag, könnte der Bayer wieder einen seiner Jubelschreie ausstoßen, wenn er die Saison als Zweiter hinter dem Norweger Halvor Egnar Granerud, der bereits als Sieger im Gesamt-Weltcup feststeht, abschließen würde. Für die Abteilung Skispringen im Deutschen Skiverband (DSV) wäre es das passende Ende einer sehr guten Saison, die auch geprägt wurde von Karl Geiger. Der Oberstdorfer war im Dezember Skiflug-Weltmeister geworden und hatte die Tournee als Zweiter hinter Stoch beendet. Eitel Sonnenschein also im Lager der Springer? Mitnichten, denn dem Team von Bundestrainer Stefan Horngacher gehören überwiegend Ü30-Springer an. Severin Freund wird im Mai 33 Jahre alt, Eisenbichler im April 30, genauso wie Richard Freitag im August. Pius Paschke ist schon 30. Geiger und Stephan Leyhe haben den 30er auch im Visier. Die Riege der Jüngeren führt Andreas Wellinger mit 25 Jahren an. David Siegel (24), Martin Hamann (23) und Constantin Schmid (21) folgen. Doch was kommt danach?

Einer, der es wissen muss, ist Martin Schmitt. Als der viermalige Weltmeister vor zwei Jahren seinen Job als Talentscout im DSV angetreten hat, hat er sich die einzelnen Trainingsgruppen angeschaut. Zuerst die 17-, 18-Jährigen. „Ich habe gedacht: Das ist nicht viel“, erzählt der Olympiasieger. Es folgte die Gruppe darunter. Da sah es in seinen Augen nicht besser aus. Deshalb lautet sein Urteil: „Momentan sind wir in allen Altersbereichen von 15 aufwärts international nicht konkurrenzfähig. Das ist Fakt.“ Ähnlich sieht es auch Bundestrainer Stefan Horngacher: „Es gibt nicht die Masse an jungen Talenten, da müssen wir gezielt arbeiten.“

Was Schmitt Hoffnung macht, ist das deutsche System mit Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll. Darüber sind die jungen Talente abgesichert. „Es ist gut, dass man mit 18 Jahren nicht rausfliegt, wenn man gewisse Vorgaben nicht erreicht hat“, sagt der 43-Jährige. Nicht jeder ist wie Wellinger, der den Sprung in den Weltcup schon mit 17 Jahren geschafft hat. Manchmal benötigt eine erfolgreiche Entwickelung Zeit. „Stephan Leyhe war spät dran, Markus Eisenbichler auch.“ Der Typ Spätstarter auf internationaler Ebene ist Robert Johansson. Der Norweger startete mit 23 Jahren zum ersten Mal bei einem Weltcupspringen, der erste Sieg ist ihm mit 28 gelungen.

Dass Talentscout Schmitt ein so düsteres Bild für die Zukunft malt, liegt nicht an der mangelnden Attraktivität des Skispringens. „Wir haben nicht das Problem, dass zu wenig Kids anfangen“, erzählt er. Doch häufig fehlt es an geeigneten Übungsschanzen. In Berchtesgaden, Ruhpolding, Oberhof, Oberwiesenthal und Hinterzarten hätten vorhandene Schanzen modernisiert werden müssen. Die Entscheidungen zogen sich jedoch über viele Jahre hin. „Da hat man teilweise eine ganze Generation verloren“, klagt Schmitt. Stattdessen wurden Leuchtturmprojekte priorisiert. „Wir haben tolle Großschanzen in Oberstdorf, in Garmisch-Partenkirchen, in Klingenthal, in Oberhof und in Titisee-Neustadt.“ Dort kann zwar auch trainiert werden, aber nicht vom Nachwuchs.

Auch der Klimawandel sorgt für einen Standortnachteil in Deutschland. Im vergangenen Winter war wenig Schnee gefallen. „Die Österreicher haben mit Seefeld, Ramsau und Villach bessere Möglichkeiten“, zeigt Schmitt auf. In diesem Jahr gab’s zwar reichlich Schnee, dafür war wegen der Corona­rege­lungen Training verboten. „In Österreich dürfen die Kinder seit drei Monaten trainieren und Wettkämpfe bestreiten, unsere Nachwuchsathleten kommen gerade mal auf 20 Schneesprünge.“ Auch Bundestrainer Horngacher klagt: „Der Nachwuchs, unsere Hoffnung für die nächsten zehn Jahre, sitzt auf dem Sofa und darf nichts machen.“ Erschwerend kommt hinzu, dass das Budget in Schmitts Bereich um 80 Prozent gekürzt wurde.

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