Das Mittelalter drängt ans Licht

Bei Bauarbeiten in NRW kommen oft uralte Relikte zum Vorschein. Doch die Archäologen haben meist wenig Zeit

Die archäologischen Sensationsmeldungen aus Nordrhein-Westfalen häufen sich in jüngster Zeit. Wo bald die Kölner U-Bahn verkehren soll, ist bei Arbeiten am Schacht unter dem Chlodwigplatz eine spätmittelalterliche Bastion aufgetaucht. Sie gehört zum größten Festungsring Europas, der das mittelalterliche Köln bis ins 19. Jahrhundert umschloss. Um 1450 wurde sie zum Schutz vor der gerade modern gewordenen Artillerie errichtet.

Auch in Aachen ist bei der Verlegung von Starkstromkabeln ein mittelalterliches Bauwerk zum Vorschein gekommen. Der zehn Meter lange Teil der Stadtmauer stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist bereits der vierte archäologische Fund in kurzer Zeit. Wie in Köln war auch in Aachen bekannt, dass unter der Baustelle Relikte des Mittelalters zu erwarten sind. „Aber dass ein so großes Stück mit den Stützmauern erhalten ist, war schon erstaunlich“, sagte eine Sprecherin der Stadt Aachen.

Die kulturellen Bodenschätze werden an die Oberfläche gespült, weil die modernen Städte und Landkreise sich verändern wollen. Auch in Büren bei Paderborn graben Forscher die Siedlung Schattenhusen aus der Karolingerzeit aus, weil dort ein Autobahnzubringer gebaut wird. Der Ort soll rund 1.200 Jahre alt sein und verschwand nach Angaben des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe im 13. Jahrhundert wegen Fehden zwischen den Bistümern Paderborn und Köln von der Landkarte. Die Bewohner suchten lieber Schutz in den befestigten Städten.

So schnell wie sie ausgegraben werden, verschwinden die Stätten meist wieder. Das Material wird dokumentiert und abgetragen oder – wie die Aachener Stadtmauer – wieder zugeschüttet. Auch die rot gebrannten Ziegel des spätmittelalterlichen Festungswerks in Köln können an ihrem Ausgrabungsplatz nicht mehr besichtigt werden. Ab heute wird das Mauerwerk Stück für Stück zerlegt und als Rohmaterial für Ausbesserungsarbeiten am Dom gelagert. „Der Trachyt-Stein, mit dem die Bastion gebaut wurde, ist selten“, erklärt der Leiter des Römisch-Germanischen Museums in Köln, Hansgerd Hüllenkemper. Die Dombaumeisterin werde sich freuen. Nur ein kleiner Teil des Bollwerks soll in die neue U-Bahn-Haltestelle integriert werden – als Referenz an den historischen Ort.

SEBASTIAN SEDLMAYR