wortwechsel
: Impfstoff, Frackinggas und Ampelspiel

Zu dramatisierende Berichterstattung auf der einen Seite, auf der anderen an den Haaren herbeigezogene Kritik an den Grünen. Und Wahlen, Woelki, Virus

Impfkandidatin im Impfzentrum Foto: Rolf Vennenberd/dpa

Historische Leistung

„AstraZeneca ist nicht das Problem“, taz vom 17. 3. 21

Liebe taz, ich bin ein wenig erstaunt über eure Teilnahme an dramatisierender Berichterstattung bzgl. der Impfpolitik: „Spahns desaströses Pandemie-Management“ auf eurer Titelseite. Es ist eine Weile her da habt ihr sehr anschaulich erläutert, dass es ein Verfassungsprinzip ist: Gesundheitspolitik liegt in Länderhand, die Regierung und Spahn besonders kann da gar nicht „regieren“, sondern lediglich über Verordnungen Richtlinien und Rahmenbedingungen schaffen. Warum hört man davon sonst nur wenig? Nun also Spahn „ans Kreuz zu nageln“, weil er etwas nicht tut, wozu er gar keine verfassungsmäßige Zuständigkeit hat (konkrete Umsetzung der Maßnahmen in den Ländern), ist doch irgendwie sachlich unpolitisches Geschrei, oder?

Man kann das extrem lästig finden mit den Bund-Länder-Konferenzen und den Eigenwilligkeiten der einzelnen MPs und sich ausnahmsweise in dieser Lage mehr „Durchregieren“ wünschen, aber so ist die Verfassung nun mal nicht, und das wollen wir doch grundsätzlich als Voraussetzung erst mal akzeptieren. Auch die wiederholten Vorwürfe der geringen Impfstoffmengen berücksichtigen nicht das globale Problem gerechter Verteilung, das zumindest im Herbst sowohl von der Regierung als auch von der EU immer wieder (richtigerweise) thematisiert worden ist. Dass das Gesundheitsministerium sich also nicht (bzw. etwas weniger als andere) an einem Großeinkaufswettbewerbsrennen beteiligt hat, ist moralisch gesehen erst mal doch anerkennenswert. Dass Israel, USA und GB schneller und mehr impfen, hat ja wohl auch mit einer rücksichtsloseren (egoistischeren) Beschaffungs- und Durchsetzungspolitik zu tun, oder?

Georg Seeßlen hat vor ein paar Tagen einen schönen Essay in der taz geschrieben über den Mangel einer eher optimistisch-dankbaren Stimmung bei dem ganzen Impfregime gegenwärtig. Ja, vieles könnte effizienter laufen, manche bereichern sich, manche Entscheidungen sind merkwürdig, aber insgesamt haben wir doch eine historisch und global gesehen großartige Situation, die es noch nie so gegeben hat: dass überhaupt so viel Impfstoff da ist, dass immerhin versuchsweise globale Gerechtigkeit mitgedacht wird, dass eine Durchimpfung der gesamten Bevölkerung in einem Dreivierteljahr möglich ist etc. Ja, die Schattenseiten müssen thematisiert werden (materielle und psychischsoziale Lockdownschäden überall, soziale Verwerfungen und Unterschiede bei den Unterstützungen, Ungerechtigkeiten überall), aber bitte mit einem faireren Ton gegenüber der dennoch historisch einmaligen Leistung, die gerade erbracht wird. Andreas Pernice, Bremen

Von außen prüfen

„Persilschein für Woelki“, taz vom 19. 3. 21

Die Ver­tre­te­r*in­nen der Betroffenen fordern eine Aufklärung des gesamten Komplexes durch Dritte, die nicht der Kirche angehören. Ist ja auch seltsam – die Beschuldigte ermittelt gegen sich selbst. Die Politik ist aufgefordert, diesem Treiben ein Ende zu machen. Glauben ist ein nicht unwichtiges Wesensmerkmal des Menschen, egal an wen oder was. Die Zerstörung dieses menschlichen Zuges durch menschliches Treiben ist übel. Die Politik sollte durch eine Petition aufgefordert werden, die Prüfung des gesamten Handels beider Kirchen zu prüfen und aufzuklären. Lucia Wenzel, Köln

Keiner vom Fach

„Der Nächste, bitte“, taz vom 17. 3. 21

Ein Gesundheitsminister ohne jegliche Erfahrung im Gesundheitsbereich! Was der Autor mit Hinblick auf Brasilien kritisiert, ist in Deutschland an der Tagesordnung! Da haben wir neben einem Bankkaufmann als Gesundheitsminister eine gelernte Hotelfachfrau als Bildungs- und Forschungsministerin, einen Rechtsanwalt als Finanzminister, und das Verteidigungsministerium wird beinahe schon traditionell mit Personen fernab jeglicher Kompetenz besetzt etc. Kurz gesagt: Auch Sie haben von ihrem Ressort eigentlich keine Ahnung und lassen sich primär durch ihren Beraterstab leiten!

Sven Unrau, Braunschweig

1,5-Grad-Ziel

„Glaube Liebe Hoffnung“, taz vom 16. 3. 21

Es mag angesichts der allgemeinen Euphorie, die die Grünen seit Sonntag umtreibt, auch mal angebracht sein, ein paar negative Aspekte aufzuzeigen. Diese allerdings damit zu begründen, dass das Bestreben der Grünen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, das sie sich ja nicht utopisch selbst gesetzt haben, ein „unhaltbares Versprechen“ darstellt und diese Chuzpe sich nicht an der Wirklichkeit orientiert, ist schon arg an den Haaren herbeigezogen.

Als Abonnent der taz setze ich voraus, dass sie als linke Zeitung eine politische Trendwende zu einer linken Mehrheit in Deutschland unterstützt. Meiner Ansicht nach sind auch die Leser der taz allgemein so gefestigt in ihrer politischen Haltung, dass sie sich nicht durch einen solchen Kommentar davon abbringen lassen – im Gegensatz zu zum Beispiel Bild-Lesern. Aber dennoch würde ich mir wünschen, dass Kritik an den „linken“ Parteien eher den konservativen Medien vorbehalten bleibt und bei der taz nur die berechtigten „Rüffel“ Platz finden.

Jochem Pfriem, Bad Homburg

Corona Impfstoff

„AstraZeneca gestoppt“, taz vom 16. 3. 21

Das britische Gesundheitsministerium beziffert den Anteil der Zwischenfälle auf 1: 1.400.000 und sieht keinen Unterschied zwischen geimpfter und ungeimpfter Bevölkerung. Mein Risiko, in den nächsten zehn (10) Tagen im Straßenverkehr umzukommen, ist etwa ebenso groß. Das hat in der Politik noch nie jemanden gekümmert und in der Bevölkerung sind kaum mehr als die betroffen, die Angehörige oder Freunde verloren haben. Und natürlich Unfallärzte.

Hermann Karcher, Sankt Augustin

Frackinggas

„Keine Maut für Gas-Lkw“, taz vom 15. 3. 21

Wichtig ist bei der Mautbefreiung für Gas-Lkws, dass es sich bei dem Gas nicht um das für Pkw verbrannte CNG (Compressed Natural Gas, mit 200 Bar verdichtetes Erdgas) handelt. Vielmehr wird von Lkws LNG verbrannt: Liquefied Natural Gas, auf minus 163 Grad Celsius heruntergekühltes Frackinggas zum Beispiel aus den USA. Es handelt sich um einen Versuch der Markt­er­weiterung für Fracking-LNG. Verkehrsminister Scheuer und Wirtschaftsminister Altmaier pushen LNG, einen fossilen, hochexplosiven Flüssiggas-Brennstoff. Deshalb darf es keine Subventionen für Warenverkehr auf den Straßen und keine Mautbefreiung für umweltfeindliches LNG geben. Wilfried Püls, Konstanz

Wahlen BW und RP

„Ampelspiel mit Risiko“, taz vom 16. 3. 21

„Es ist ein guter Tag, weil er auch zeigt, dass Regierungsbildung ohne die CDU möglich ist in Deutschland“ – Olaf Scholz nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

In Rheinland-Pfalz war eine Ampelkoalition schon fünf Jahre erfolgreich im Amt und alles deutet darauf hin, dass sie auch in der neuen Legislaturperiode das Land führen wird. In Baden-Württemberg können die Grünen wählen zwischen der von einem katastrophalen Wahlergebnis bis ins Mark geschlagenen CDU oder der unverbrauchten FDP und SPD. Jedoch – die Krise der CDU in BW reicht viel tiefer – auch das Wirken und die Fähigkeiten des CDU-Landesvorsitzenden müssen hinterfragt werden: Die CDU wird in nächster Zeit sicher nicht zur Ruhe kommen. Wenn die Grünen sich mit Rot und Gelb zu einer Regierungskoalition zusammentun, so haben sie sich gut sowohl nach links (Arbeitnehmer, Gewerkschaften) wie nach rechts (Unternehmer) abgestützt. In einer Ampelregierung können sich verschiedene Ansichten zusammenfinden und so im Konsens einen gut und breit abgestützten Kurs einschlagen: Ampelkoalitionen sind nicht nur möglich – sie sind auch gut.

Jürg Walter Meyer, Leimen