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Luft raus bei Werder

Nach der 1:3-Niederlage gegen hoch überlegene Münchner sucht Werder Bremen die Balance zwischen Sicherheit und gutem Fußball. Trainer Kohfeldt bleibt aber vorsichtig

Und Bremen steht bloß dabei: Lewandowski (r.) und Goretzka klatschen ab Foto: Martin Meissner/dpa

Von Ralf Lorenzen

Während der neunzig Minuten hatte sich Sturmtief Luis einigermaßen zurückgehalten, aber kurz nach dem Schlusspfiff peitschte es seine Böen ins Weser-Stadion, als wollte es den siegreichen Münchnern die trotzige Botschaft mit auf den Heimweg geben: „Wir können auch Sturm.“

Krachend fiel eine der vier Werbewände zu Boden, vor denen die ersten TV-Interviews nach dem Spiel gegeben werden. Als kurz darauf Werders Trainer Florian Kohfeldt sich vor einer der übrigen Wände platzieren sollte, gab ihm das endlich die Möglichkeit, selbst ins Geschehen einzugreifen. Entschlossen schob er die rollbare Wand weg, um nicht Opfer des nächsten Zusammensturzes zu werden.

Während des Spiels musste er dabei zusehen, wie seine Spieler fast nie den nötigen Zugriff auf die Münchner Angriffswellen fanden – zumindest nach der 1:0 Führung in der 23. Minute durch ein Kopfballtor von Leon Goretzka nach einer vom Münchner Co-Trainer und Ex-Bremer Miroslav Klose einstudierten Eckballvariante. „Dann lassen sie uns laufen, wir sind nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen“, sagte Abwehrchef Ömer Toprak.

Das hatte in erster Linie mit der hohen Qualität des Münchner Spiels zu tun, das den Bremern gar nicht die Möglichkeit gab, rechtzeitig zuzupacken. Dennoch war auch ein Spannungsabfall gegenüber den letzten Spielen spürbar, nachdem das Team durch den Sieg bei Arminia Bielefeld erstmals mehr als zehn Punkte zwischen sich und dem Relegationsplatz gelegt hatte. „Es ist vielleicht kein existenzielles Spiel für uns, aber wir müssen es spielen wie ein existenzielles Spiel, sonst haben wir null Chance“, hatte Kohfeldt vorher zwar gefordert, aber während des Spiels waren selbst die Bremer Ersatzspieler und Betreuer:innen, die sonst verbal um jeden Ball mitkämpfen, erstaunlich ruhig.

Der Support von der Seite und die Spielweise der eigentlich als sympathisch geltenden Bremer waren in jüngerer Zeit kritisiert worden. Als „unangenehm und eklig“ bezeichnete Frankfurts Trainer Adi Hütter deren Spiel, und als niveaulos das Verhalten nach der Eintracht-Niederlage im Weser-Stadion.

Werder-Trainer Kohfeldt hatte sich anschließend darüber geärgert, die Kritik am Verhalten des Stabes nicht deutlicher zurückgewiesen zu haben. Was die defensive Spielweise der letzten Wochen angeht, steht er allerdings zu dem pragmatischen Kurs, der anscheinend in sichere Gefilde geführt hat.

Nach seinem Amtsantritt 2017 hatte er in einer prekären Situation das Kunststück vollbracht, Klassenerhalt und spielerische Entwicklung unter einen Hut zu bekommen. In dieser Saison lag die Priorität darauf, nicht wieder in eine Situation kommen, in der es in jedem Spiel um die Existenz geht.

Krachend fiel eine der Werbewände zu Boden, vor denen die ersten Interviews nach dem Spiel gegeben werden

Nach dem Sieg in Bielefeld wagte Kohfeldt erstmals wieder einen scheuen Ausblick auf „besseren Fußball“ – allerdings nicht ohne auf die Gefahr hinzuweisen, sich zu sicher zu fühlen. Er hat erfahren, wie schnell man in eine schwer aufzuhaltende Abwärtsspirale kommen kann.

Muss der Werder-Trainer bei der spielerischen Weiterentwicklung des Teams noch die Balance halten, zeigt die Kurve bei einzelnen Akteuren seit seinem Amtsantritt nach oben. Die ehemaligen Talente Maximilian Eggestein, Milot Rashica, Milos Veljkovic, Marco Friedl und Josh Sargent prägen das Gesicht der Mannschaft.

Mit Felix Agu und Manuel Mbom sind in dieser Saison bereits zwei neue Gesichter in der Bundesliga aufgetaucht. Bis der Klassenerhalt endgültig gesichert ist, werden sie genau wie die anderen Nachwuchsspieler auf der Bank aber wohl weiter dosiert eingesetzt werden.

Sollte das Team bis dahin den Weg zurück zum „besseren Fußball“ finden, wird ihr Trainer wohl wieder vermehrt in dem spekulativen Trainer-Domino auftauchen, das gespielt wird, seit Marco Rose, der Trainer von Borussia Mönchengladbach, seinen Wechsel zu Borussia Dortmund bekanntgegeben hat.

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