: FauleSteine überall
Glaubt man einem alten Kölner Sprichwort, dann wird die Welt untergehen, wenn der Dom, diese ewige Baustelle, fertig gebaut ist. Trotzdem will man diesem Ziel unbedingt näherkommen. Nur so zumindest ist zu erklären, dass die Datenanalyse-Firma Northdocks dieser Tage ein 3-D-Modell der dystopisch anmutenden Kathedrale erstellt. Eine hochmoderne Drohne kreist unheilverkündend um die Türme, sie soll brüchige, verwitterte und schlechte Steine identifizieren, die schnellstmöglich ausgetauscht werden müssen.
Weltuntergangsstimmung herrscht auch im Umfeld des Doms, dem Wirkungsbereich des mächtigen Erzbischofs Rainer Maria Woelki. In Köln nämlich verlassen die Schäfchen gerade in Scharen den Hirten. Wer aus der Kirche austreten will, muss lange warten, Termine beim Standesamt sind heiß begehrt.
Diese Schäfchen sind der Ansicht, nach 2.000 Jahren müssten auch an der Institution ein paar Steine ausgetauscht werden. Vielleicht wackelt mittlerweile sogar das Fundament. Zumindest ist unwahrscheinlich, dass die Verantwortlichen den Sturm der letzten Wochen ohne Witterungsschäden überstehen.
Zwar kein dreidimensionales, aber immerhin ein Gutachten zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum soll am 18. März veröffentlicht werden. Schwere Geburt. Der ganze Skandal wurde ja überhaupt erst ausgelöst, weil der Erzbischof ein erstes Gutachten zurückgehalten hat. Angebliche „rechtliche Bedenken“ und „methodische Mängel“ hätten laut Woelki ein zweites Gutachten nötig gemacht. Vielleicht würde noch ein drittes helfen.
Aber auch so ein 3-D-Modell ist übrigens nicht die Lösung aller Probleme. „Wenn wir einmal alles gescannt haben, können wir direkt wieder von vorne anfangen“, sagt Joachim Perschbacher, Geschäftsführer bei Northdocks. „Probleme gibt es hier genug.“ Noch so eine Parallele zur katholischen Kirche.
Mit Blick auf die Kathedrale darf man aber erst mal ein Stoßgebet zum Himmel schicken: Der Dom wird – Gott sei Dank! – so schnell nicht fertig, die Welt ist noch sicher. Für die Verantwortlichen in Köln hingegen gilt das nicht, am 23. März sollen erste Konsequenzen des Gutachtens verkündet werden. Spätestens dann wird sich zeigen, ob das Erzbistum bereit ist, seine schlechten Steine auszutauschen. Marius Ochs
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