wortwechsel: Nur ein halber Atomausstieg – bis jetzt
Sorge über wachsende Beliebtheit der Kernenergie, der deutsche Atomausstieg geht nicht voran. Rassismus bei Hofe? Eine Frau hat oft einen Uterus und ist immer selbstbestimmt
Mehr harte Fakten
„Fukushima-Dossier“,
taz vom 10. 3. 21
Mir bereitet Sorge, dass sich die Atomenergie auch in der Fridays-for-Future-Generation immer größerer Beliebtheit zu erfreuen scheint. Dabei ist ja nicht nur das Risiko immens und die Folgen für kommende Generation von Menschen, Tieren und Pflanzen nicht absehbar – so viel zum Thema „(Klima)-Gerechtigkeit“ – auch für Herstellung, Lagerung, Transport und „Entsorgung“ fallen riesige Mengen CO2 an. Dass die besonders gefährlichen Tätigkeiten in den ärmsten Regionen der Welt stattfinden und ohnehin in jeder Hinsicht benachteiligte Menschen dafür auf schlimmste Weise ausgebeutet und Krebs und Strahlenkrankheit ausgesetzt werden, ist ebenfalls Teil des Problems – Atomenergie ist am Ende eben auch rassistisch. Leider blieb es in dieser Ausgabe bei Meinungen; belegbare Daten oder Interviews mit Experten fehlten weitgehend. So fühlte man sich als Öko bestätigt und freute sich, dass die taz noch zu den „Guten“ zählt, aber leider fehlten die „harten Fakten“, um auch jene Menschen zu überzeugen, die der Atomenergie positiver gegenüberstehen.
Jan-Peer Hartmann, Berlin
Anderer Begriff
„Medien lieben Aufsteigergeschichten“,
taz vom 10. 3. 21
Natürlich bedarf es in einer Klassengesellschaft einer Theorie über die Wirkungsmechanismen und Grundlagen der Phänomene von Spaltung. Aber ob „Klassismus“ als Begriff taugt, möchte ich bezweifeln. Ein neuer Begriff führt zu ewig langen Diskussionen über seinen Bedeutungsgehalt. Schon die erste Frage im Interview, wer denn von Klassismus betroffen ist, führt in die Irre. Denn „betroffen“ im Sinne von „berührt“, sind wir alle von der gesellschaftlichen Spaltung, die einen eben als Opfer und die anderen als Täter. Besonders deutlich wird dies in dem auch im Interview gebrauchten Beispiel: Als „sozial schwach“ werden in dieser Gesellschaft gern jene Gruppen bezeichnet, die von Armut betroffen sind. So gebraucht, erfüllt der spalterische Begriff „sozial schwach“ seine affirmatorische Funktion. Für mich hingegen sind am ehesten die Menschen als „sozial schwach“ zu bezeichnen, die sich auf Kosten anderer rücksichtslos bereichern. Beispiele solcher Menschen liefert gerade die Bundestagsfraktion der CDU.
Raimund Schorn-Lichtenthäler, Datteln
Aus der Retorte
„Mit zweierlei Maß“, taz vom 8. 3. 21
Den Eizellenspenden und der ganzen Reproduktionsmedizin stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Gibt es Untersuchungen über das Aufwachsen der Retortenkinder, über die Entwicklung Ihres Gefühls- und Gesundheitszustands? Muss vor dem Hintergrund der technischen Lösung Repromedizin nicht Elternschaft und Familie neu überdacht werden? Das Austragen eines lebendigen Wesens ist eben nicht nur etwas rein Biologisch-Körperliches. Bei den Diskussionen über Leihmutterschaft und Eizellspende darf nicht nur das medizinisch Machbare berücksichtigt werden. Für mich darf eine Schwangerschaft auch kein Geschäft sein – denn neun Monate erlebt, fühlt dieses Wesen mit der austragenden „Mutter“ – und epigenetisch bringt es zu den anderen Genen diese Erfahrungen mit auf die Welt.
Olivia Maschke,Edertal
Mahnung im Datum
„Kämpfen gegen das Patriarchat“,
taz vom 8. 3. 21
Im Moment ist die Rede davon, den 8. März wie in Berlin bundesweit zum Feiertag zu erklären. Ein Vorschlag: Besser den Equal-Pay-Day zum Feiertag erheben! Dann kann man jedes Jahr deutlich sehen, ob sich was verbessert hat in der Bezahlung der Frauenarbeit, ob nämlich der Tag dem 1. Januar näher gerückt ist. Dann liegt für jeden Beteiligten im Datum die Mahnung.
Hedwig Tabaczek, Bielefeld
Unterdrückungslogik
„Redet doch miteinander!“,
taz vom 10. 3. 21
Die Wut der vom strukturellen und persönlichen Rassismus oder anderen Unterdrückungslogiken Betroffenen ist nicht nur verständlich, die Forderungen an uns „Herrschende“ sind legitim, berechtigt, ergeben sich aus der unzureichenden Entwicklung. Dennoch muss ich auch als „alter weißer Mann“ sagen, dass große Teile meiner Generation sich genau für diese Forderungen für Gleichberechtigung, gegen Rassismus und andere Diskriminierungen eingesetzt haben und sie politisch aufgrund der Kräfteverhältnisse nicht durchsetzen konnten. Ich würde sagen, wir sind weitergekommen, aber nicht weit genug. Das geht auf unsere Kappe, im positiven wie im negativen. Ich kann auch Wolfgangs Thierse verstehen, der die Suche nach Gemeinsamkeiten in den Diskussionen vermisst. Ansonsten geht es mir manchmal ähnlich. Wenn man das Gefühl bekommt, potenziell mit Figuren wie Sarrazin in einen Topf geschmissen zu werden, dann schmerzt das.
Helmut Hugler, Berlin
Halbe Sache
„Fukushima-Dossier“, taz vom 10. 3. 21
Es musste sprichwörtlich erst das Kind in den Brunnen gefallen sein bevor ein (halber) deutscher Ausstieg aus der Krebs-Technologie erfolgte. Präventive und enkeltaugliche Politik sieht anders aus. An den AKW, die leider noch bis Ende 2022 laufen dürfen, verdient sich die Atomlobby weiterhin eine „goldene Nase“, und sie produzieren noch jede Menge unnötigen Atommüll. Wofür? Ob in älter werdenden AKW auch noch in Sicherheit investiert wird, kann bezweifelt werden. Zurücklehnen ist also nicht angesagt. Derweil wird Neckarwestheim als ein „Riss-Reaktor“ bezeichnet, dürfen Lingen und Gronau weiterlaufen und wehren sich die Menschen im Dreiländereck NRW, Hessen und Niedersachsen gegen die gigantischen Zwischenlagerpläne auf dem Gelände des alten AKW in Würgassen. Nicht zu verwechseln mit „Würg! Asse!“. dem Asse-Atomskandal, der seinesgleichen sucht. Ich zähle die Tage bis das AKW Grohnde Ende 2021 endlich vom Netz geht. Arno Schelle, Fredelsloh
Minderverbrauch
„Fukushima-Dossier“, taz vom 10. 3. 21
Eine Rettung gemäß unseren Lebensvorstellungen gibt es nicht. Ohne einen Energie-Minderverbrauch in den entwickelten und sich entwickelnden Ländern ist Nachhaltigkeit nicht zu erreichen, die Klimakrise nicht abzuwehren. Die 1,5 Grad des Weltklimaabkommens von Paris sind eine Chimäre, deren es bedurfte, um das Abkommen abzuschließen. Konstruiert mithilfe grüner Senken und CO2-Abscheidung aus der Atmosphäre sowie Atomstrom, für dessen Abfall es so wenig Raum gibt wie für das CO2. In den Jahren 2015 bis 2019 ist der CO2-Ausstoß Jahr für Jahr weiter gewachsen. Die Coronareduktion von 7 Prozent in 2020 müsste Jahr für Jahr so weitergehen, um das Unmögliche zu erreichen. Das überall angestrebte Wachstum, gewollt und gestützt durch Wiederaufbaufonds, hat in China die 6 Prozent erreicht.
Klaus Warzecha, Wiesbaden
Ehrenerklärung
„Unions-Fraktionsspitze setzt Frist“,
taz vom 10. 3. 21
Viele Menschen sind sehr einsam gestorben. Viele leiden an heftigen Spätfolgen. Noch mehr Menschen können mit Kindern und Beruf kaum noch ihren Alltag bewältigen. Viele fürchten um ihre wirtschaftliche Zukunft. Und dann gibt es andere, die sich an der Krise und den Schicksalen sogar noch bereichern konnten, weil sich CDU/CSU und FDP seit Jahrzehnten gegen ein strafrechtlich wirksames Lobbyregister und eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte unserer Parlamentarier gewehrt haben. Und jetzt kommt Armin Laschet statt mit klaren gesetzlichen Vorgaben mit einer „Ehrenerklärung“ und einem „freiwilligen Kodex“ kurz vor den Wahlen daher.Kurt Lennartz, Aachen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen