Attentäter hatte Al-Qaida-Kontakte

Die britische Regierung veröffentlicht ein Foto der vier Selbstmordattentäter von London. Ägyptens Innenminister hält verdächtigen Landsmann für unschuldig. In einer Erklärung verurteilen 22 führende britische Muslime die Anschläge

VON RALF SOTSCHECK

Sie waren keine „unbeschriebenen Blätter“, wie die britische Polizei behauptete. Mindestens zwei der Selbstmordattentäter, die vor elf Tagen drei Londoner U-Bahnen und einen Bus sprengten, standen schon länger in Verbindung mit al-Qaida. Der Hilfslehrer Mohammed Sidique Khan, der die Bombe in der Nähe des Bahnhofs Edgware Road zündete, hatte im vorigen Jahr an einer Al-Qaida-Konferenz in der pakistanischen Provinz Wasiristan teilgenommen. Das sagte der Computerfachmann Mohammed Babar, der ebenfalls auf dieser Konferenz war und nach seiner Rückkehr in die USA festgenommen wurde. Er arbeitet seitdem mit der Polizei zusammen.

Khan ist im vorigen Jahr auch vom britischen Geheimdienst überprüft worden. Der ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass von Khan keine Bedrohung ausgehe, berichtete die Sunday Times gestern. Germaine Lindsay, der aus Jamaica stammende vierte Attentäter, hatte laut Independent Verbindungen zu einer Terrorzelle in New Jersey und stand auf einer Verdächtigenliste der USA. Die britische Polizei äußerte sich nicht zu den Zeitungsberichten, veröffentlichte am Wochenende aber ein Foto von einer Sicherheitskamera, das die vier Attentäter am Bahnhof Luton zeigt, von wo sie nach London fuhren.

Wer die Bomben gebaut hat, ist unklar. Der ägyptische Biochemiker Dr. Magdi El Nashar, der am Donnerstag in Kairo festgenommen wurde, sei unschuldig, sagte der ägyptische Innenminister Habib al-Adli am Wochenende. El Nashar soll die Schlüssel für eine Wohnung besorgt haben, in der einer der Hintermänner der Anschläge eine Zeit lang gelebt hat. Das Innenministerium in Kairo hat nun Teile des Vernehmungsprotokolls veröffentlicht. Demnach sagt El Nashar, dass er in Kairo lediglich Urlaub mache und nach Leeds zurückkehren wolle. Das sei glaubwürdig, sagt al-Adli.

Am Wochenende haben 22 führende britische Muslime nach einer Konferenz im Islamischen Kulturzentrum in London in einer gemeinsamen Erklärung die Anschläge als „völlig kriminell, total abscheulich und absolut unislamisch“ verurteilt. Großbritanniens höchstrangiger muslimischer Polizist, Tarique Ghaffur, stellvertretender Polizeichef von London, sagte jedoch, mit einer Verurteilung der Anschläge sei es nicht getan. Er verlangte, dass alle Muslime und ihre Führung potenzielle Terroristen und ihre Sympathisanten der Polizei melden müssen.

Premierminister Blair erklärte, die Täter seien nicht vom Islam oder von politischen Überzeugungen getrieben worden, sondern von einer „Ideologie des Bösen“. Zwei Labour-Abgeordnete, darunter Exministerin Clare Short, die wegen des Irakkrieges zurückgetreten war, beschuldigten Blair dagegen, mit seiner Nahostpolitik den Boden für die Anschläge bereitet zu haben. Die Regierung untersagte am Wochenende die Veröffentlichung eines Buches von Sir Jeremy Greenstock, der bis zu Beginn des Irakkrieges britischer UN-Botschafter war. Das Buch enthält zahlreiche Privatgespräche, die Greenstock mit Blair über den Angriff auf den Irak geführt hatte.

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