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Kein Grund zum Feiern

Nur in Berlin ist der Internationale Frauentag ein gesetzlicher Feiertag. Nachdem sich 2018 die nördlichen Bundesländer stattdessen für den Reformationstag entschieden hatten, steht die politische Debatte fast still

Wer am 8. März zur Demo will – dieses Jahr mit Abstand -, muss blau­machen, Urlaub nehmen oder auf feministische Ar­beit­ge­be­r*in­nen hoffen Foto: Niccolo von Blanckenburg

Von Johanna Sethe

„In einer männerdominierten Politik wundert es wenig, dass auch in Niedersachsen der Internationale Frauentag kein Feiertag ist“, sagt Imke Byl, Sprecherin für Frauenpolitik der Niedersächsischen Landtagsfraktion der Grünen. Nicht nur in Niedersachsen ist der Frauentag auch gleichzeitig ein normaler Arbeitstag: Berlin ist das einzige deutsche Bundesland, in dem der Frauentag ein gesetzlicher Feiertag ist. Dort hatte die rot-rot-grüne Regierung 2019 mehrheitlich für dessen Einführung gestimmt.

Angesichts der im Vergleich zu anderen Bundesländern geringen Anzahl an Feiertagen hatte man auch in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg schon 2018 über einen weiteren gesetzlichen Feiertag debattiert. Der 8. März als Internationaler Frauentag und der Tag der Befreiung am 8. Mai standen dabei mit zur Diskussion. Die Bürgerschaften und Landtage der Länder votierten schließlich aber mehrheitlich für den Reformationstag.

Ein zentraler Beweggrund für diese Entscheidung sei der Wunsch gewesen, das Feiertagsgesetz in den norddeutschen Bundesländern möglichst einheitlich zu gestalten, heißt es aus mehreren Fraktionen der vier Länder. Die Auswahl des Reformationstages als neuer Feiertag schmälere jedoch keineswegs die Bedeutung und Achtung des Internationalen Tages der Frauen, betont Johanne Modder, Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen SPD-Fraktion. Es habe sich jedoch gezeigt, dass der Reformationstag stark in der Gesellschaft verankert sei.

„Neue christlich-konfessionelle Feiertage in einer Zeit, in der es eine immer größere Vielfalt an religiösen Anschauungen und darüber hinaus immer mehr Menschen ganz ohne Religionszugehörigkeit gibt, ist völlig unverständlich“, sagt dagegen Byl. Der Fraktionsvorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein, Christopher Vogt, schließt sich der Kritik an. Man könne sich schon fragen, ob die Dominanz der christlichen Feiertage bei den gesetzlichen Feiertagen noch zeitgemäß sei.

Feiertag für die Sichtbarkeit

Darüber hinaus herrscht Uneinigkeit darüber, ob zusätzliche Feiertage grundsätzlich notwendig sind, ganz ungeachtet ihrer Aussage. Mehrere Fraktionen der CDU und FDP verweisen auf die wirtschaftlich angespannte Situation während der Coronapandemie. Die Bundesbank hatte zuletzt berechnet: Ein zusätzlicher freier Tag kostet circa 0,12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die Gewerkschaften widersprechen: „Wenn wir uns angucken, wie die Arbeit sich verdichtet und die Zahl der Überstunden bei Arbeitnehmern explodiert, finde ich nicht, dass die grundsätzliche Debatte um weitere Feiertage nur aufgrund der derzeitigen Situation im Keim erstickt werden sollte“, sagt Felix Hoffmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Hamburg. „Wir haben den Reformationstag als Feiertag begrüßt und würden auch den Frauentag als Feiertag befürworten.“

Auch bürgerliche Initiativen sprechen sich nach wie vor für den Frauentag aus. „Es wäre einfach eine großartige Form der Sichtbarmachung“, sagt Susanne Bukta vom Verein Frauen in Arbeit und Wirtschaft in Bremen. In ihren Berufsorientierungs- und Gründungsberatungen werde immer wieder deutlich, dass Frauen gerade in der Wirtschaft sehr wenig gesehen werden; die Wirtschaftsteile in den Zeitungen seien noch immer männerdominiert.

Der Landesfrauenrat in Hamburg ist immer noch empört über die Entscheidung für den Reformationstag. Hier habe man sich 2018 vehement für den Frauentag eingesetzt. „Weil es doch so viel mehr Menschen betrifft“, sagt Petra Ackmann, erste Vorsitzende des Vereins. Es gehe schließlich nicht darum, frei zu haben, sondern darum, Zeit und vor allem ein Forum zu schaffen, um die Errungenschaften der Frauenbewegung zu feiern und zu gucken, was zukünftig noch möglich ist. „Aktuell sehe ich keinen Anlass für neue Forderungen“, so Ackmann, „aber damals ist einfach wirklich eine große Chance verpasst worden.“

Die Gespräche darüber, was der Frauentag für die Gleichberechtigung bedeutet, sind noch lange nicht durch – aktuell aber von der politischen Agenda.

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