„Brot aus Hirse statt aus Weizen“

Soziologe Tata Yawo Ametoenyenou über seine Initiative OADEL, die die Verwendung lokaler Lebensmittel im westafrikanischen Togo propagiert

Foto: Katrin Gänsler

Tata Yawo Ametoenyenou

ist Soziologe und hat 2003 in Togo die Organisation für Nahrung und lokale Entwicklung (OADEL) ­gegründet. Neben Unterstützung für Pro­du­zen­t*in­nen, die Schaffung von Liefernetzwerken und Werbung für lokalen Konsum betreibt die Organisation eine Bar und ein Geschäft in der Hauptstadt Lomé.

taz: Herr Ametoenyenou, warum haben Sie vor 18 Jahren OADEL gegründet?

Tata Yawo Ametoenyenou: Schon als 13-Jähriger habe ich mich in Vereinen in meinem Viertel für Umweltschutz und Gesundheit eingesetzt. Die Botschaft lautete stets: Wir dürfen nicht auf Hilfe warten, sondern müssen selbst aktiv werden, um unsere Probleme zu lösen. Nach meinem Studium und der Arbeit für nichtstaatliche Organisationen konnte ich nach Frankreich reisen. Dort war ich wieder mit NGOs in Kontakt und begriff: Europäische Po­li­ti­ke­r*in­nen können unsere Landwirtschaft beeinflussen und sogar für Nahrungsmittelknappheit sorgen. Mir wurde sehr klar, dass wir uns nicht von importierten Produkten abhängig machen dürfen. Nach meiner Rückkehr entstand OADEL.

Gab es dafür Verständnis?

Einfach war es nicht. Wir waren vier Hochschulabsolventen ohne Geld und Arbeit. Wir wollten anderen helfen und waren doch selbst auf Hilfe angewiesen. Ich hatte das große Glück, eine Frau zu haben, die mich sehr unterstützt hat, obwohl ich manches Mal mit leeren Taschen nach Hause gekommen bin. Heute hat sich das gewandelt. Wir sind stolz darauf, dass lokaler Konsum Arbeit schafft und unsere Vision die richtige war.

Jobs bringt häufig die Weiterverarbeitung von Obst, Gemüse und Getreide. Welche Produkte sind in den vergangenen Jahren entstanden?

Zahlreiche. Beispielsweise wird Kinderbrei, den es bisher nur als Importware gab, produziert. Es entstehen lokale Mehlsorten, etwa aus Sorghumhirsen oder Maniok, die von landwirtschaftlichen Kooperativen hergestellt werden. Brot ist in Togo bisher aus Weizenmehl gebacken worden, obwohl Weizen nicht angebaut wird. Deshalb arbeiten wir an neuen Zusammensetzungen für Brot, worauf der Staat reagiert hat. Backwaren müssen mittlerweile einen gewissen Anteil an lokal hergestelltem Mehl enthalten. Wir sind mit verschiedenen Ministerien im Gespräch, um landesweit Workshops für Bä­cke­r*in­nen zu organisieren und ihnen zu zeigen, wie das Mehl aus Togo verarbeitet wird.

Setzt sich das in der Gastronomie durch? Es heißt, dass Hotels und Restaurants Zutaten aus Togo verwenden müssen.

Teilweise. Wir ermuntern sie, lokales Essen bei ihren Gästen beliebt zu machen. Da es aber Privatunternehmen sind, lässt sich kein bestimmter Anteil festschreiben. Allerdings haben wir ein Kochbuch für die Gastronomie veröffentlicht und mehr als 50 Küchenchefs zu einer Weiterbildung eingeladen. Ziel war es, innovative Rezepte zu entwickeln. Beispielsweise kommen in den Salat häufig Kartoffeln, die sich durch Süßkartoffeln oder Yams ersetzen lassen. Das Buch soll künftig außerdem bei der Ausbildung von Kö­ch*in­nen eingesetzt werden. Bisher wurden Bücher über europäische oder asiatische Küche genutzt, nicht aber afrikanische.

In der Kritik stehen oft die Preise der lokalen Waren. Softdrinks sind günstiger als Saft, Reis aus Asien kostet weniger als der aus Togo.

Beim Reis hat sich die Qualität verbessert, und die Menschen zahlen dafür. In unserer Bar BoBaR passiert es aber bis heute, dass Kun­d*in­nen wieder gehen, weil sie den Saft zu teuer finden. Sie kaufen anderswo lieber eine Cola, die 15 Eurocent weniger kostet. Informationen sind deshalb wichtig. Dafür schicken wir immer wieder junge Leute in die Viertel, die über die Bedeutung des lokalen Konsums aufklären.

Was ist aktuell die große Herausforderung für lokalen Konsum?

Wir müssen sicherstellen, dass die Produkte den Weg in die Geschäfte finden. OADEL will deshalb in diesem Jahr ein Distributionszentrum aufbauen. Pro­du­zen­t*in­nen müssen die Gewissheit haben, dass sie Ware verkaufen können. Kon­su­men­t*in­nen müssen die Wahl zwischen lokalen und importierten Produkten haben.

Interview: Katrin Gänsler