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: Gendern im Bundestag

Im Bundestag darf jetzt in Anträgen gegendert werden. Bislang wurden alle Gender-Sternchen herauskorrigiert

Alle paar Monate geht es wieder von vorne los. Wenn es eine Sache gibt, auf die wir uns selbst in Zeiten großer Verunsicherung verlassen können, dann ist es das: #Gendergaga trendet auf Twitter. Von links nach rechts müssen alle User_innen ihre Meinungen dazu kundtun, als wäre es 2012.

Es lässt sich nur schwer nachkonstruieren, warum dieser queerfeindliche Kampfbegriff der Rechten ausgerechnet jetzt wieder in Umlauf ist. Aber bekanntlich braucht es ja keinen Anlass, um Deutsche mit dem Thema Gender zur Weißglut zu bringen. Das Thema selbst ist Anlass genug. Allein die Anzahl von Leser_innenzuschriften, die in der taz-Redaktion eingehen und über die Verwendung von Unterstrich, Sternchen und Doppelpunkt in manchen Texten entzürnt sind, bringen das E-Mail-Postfach regelmäßig an die Grenzen seiner Kapazitäten.

Dass auch im Deutschen Bundestag künftig gegendert wird, dürfte zum aktuellen Twitter-Trend beigetragen haben. Auf Anfrage des Tagesspiegel-Newsletters Checkpoint teilte Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen mit, dass künftig der Gender-Stern, der Doppelpunkt und weitere geschlechtergerechte Formen in Anträgen, Entschließungsanträgen und Begründungen von Gesetzesentwürfen erlaubt seien. Was für Sprachnostalgiker_innen auf den ersten Blick nach einer „Sprachvorgabe von oben nach unten“ aussehen könnte, ist indessen auf den zweiten Blick nichts anderes als eine längst überfällige Demokratisierung in der Sprachpolitik des Bundestags. Denn dass das Gendern in Begründungen inzwischen erlaubt ist, bedeutet im Umkehrschluss: Bisher wurden alle genderneutralen Formulierungen einfach HERAUSKORRIGIERT. Jede Bemühung um das Mitmeinen von Nicht-cis-Männern in Anträgen und Begründungen wurde also bis 2021 als Fehler markiert und vernichtet. Allein das zeigt, wie weit entfernt wir von der gefürchteten „Genderdiktatur“ immer noch entfernt sind. Schade eigentlich.

Als große Errungenschaft der Gleichberechtigung lässt sich diese Neuerung im Bundestag dann eben doch nicht feiern. Solange noch queerfeindliche Gesetze wie das Abstammungsrecht existieren, das Kindern von gleichgeschlechtlichen Eltern nach wie vor den zweiten rechtlichen Elternteil versagt, wird uns der Unterstrich im Entschließungsantrag leider nur Deko bleiben. Fatma Aydemir